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Das Zeichen des Vampirs - The Society of S

Titel: Das Zeichen des Vampirs - The Society of S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hubbard
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ausgedacht hatten, waren viel faszinierender als ihre wahren Persönlichkeiten. Warum sollte man sich damit abfinden, Schulabbrecher, KFZ-Mechaniker oder Imbissverkäufer zu sein, wenn man stattdessen auch Magier, Werwolf oder Vampir sein konnte?
    Eines Abends trafen wir uns mit der ganzen Truppe in einem Club, der in einem lang gestreckten Gebäude mit hohen Decken untergebracht war, das wie ein Lagerhaus aussah. Von den Wänden hallte Techno-Musik wider und die Tanzfläche war in dämmriges blaues Licht getaucht. Ich lehnte gerade an einer Wand und sah den Leuten zu, als ich mich plötzlich auf der Tanzfläche wiederfand und mit einem Jungen tanzte, der genauso groß war wie ich. Er hatte ein süßes Gesicht, wunderschöne glatte Haut und dunkle Locken.
    Nachdem wir eine Weile getanzt hatten, gingen wir nach
draußen und stellten uns in eine kleine Gasse. Er rauchte eine Zigarette und ich blickte zum Himmel hinauf. Keine Sterne, kein Mond. Einen Moment lang verlor ich jegliches Gespür dafür, wer ich war oder wo ich war. Als ich wieder klarer denken konnte, fiel mir eine Stelle aus Unterwegs ein, in der Sal in einem fremden Hotelzimmer aufwacht und nicht mehr weiß, wo er ist, und daraufhin sagt, auf seinem Leben liege ein Fluch.
    »Was bist du?«, fragte mich der Junge mit den lockigen Haaren, und ich sagte: »Ein Geist.«
    Er sah verwirrt aus. »Paul - ich meine Lemur - meinte, du wärst ein Vampir.«
    »Das auch«, sagte ich.
    »Perfekt«, sagte er. »Ich bin nämlich ein Spender.«
    Ich verschränkte meine Arme, aber mein Blick war auf seinen Hals gerichtet - seinen zarten, schlanken weißen Hals.
    »Willst du mich wandeln?«, fragte er.
    Ich wollte seine Wortwahl korrigieren. Ich wollte ihn zur Vernunft bringen, ihm deutlich machen, dass er mit dem Feuer spielte. Aber noch viel mehr wollte ich sein Blut.
    »Bist du sicher?«, fragte ich.
    »Ganz sicher«, sagte er.
    Mein Mund öffnete sich wie von selbst, als ich mich zu ihm vorbeugte, und ich hörte, wie er rief: »Wow. Du bist ja echt!«
    In dieser Nacht lernte ich Zurückhaltung. Ich trank nur so viel Blut, bis mein Hunger gestillt war. Als ich von ihm abließ, sah er mit geweiteten Pupillen und einem ekstatischen Ausdruck in den Augen zu mir auf. »Du hast es wirklich getan«, murmelte er.
    Ich wischte mir mit dem Jackenärmel über den Mund. »Du
darfst niemandem davon erzählen.« Vor lauter Scham konnte ich ihn kaum ansehen.
    »Niemals.« Er betastete die Wunde an seinem Hals und betrachtete das Blut, das an seinen Fingern klebte. »Wow.«
    »Du musst etwas auf die Wunde drücken.« Ich fand ein Taschentuch in meiner Jackentasche und gab es ihm.
    Er presste es sich auf den Hals. »Das war unglaublich«, sagte er. »Ich... ich liebe dich.«
    »Du kennst mich doch gar nicht.«
    Er streckte mir seine andere Hand hin. »Ich bin Joshua«, sagte er. »Und jetzt bin ich ein Vampir, genau wie du.«
    Bist du nicht , dachte ich. Aber ich widersprach ihm nicht. Schließlich spielte er nur ein Rollenspiel.

    Ich hätte noch ewig so in Asheville bleiben können. Ich hatte eine Unterkunft, ich hatte so etwas wie Freunde und ich hatte eine willige Nahrungsquelle. Aber allmählich tauchte ich aus meiner Benommenheit wieder auf. Die Art, wie wir lebten, gefiel mir immer weniger; ein Tag kam mir vor wie der andere. Ich lernte und vollbrachte nichts. Und jede Nacht wartete statt des Schlafs das Wissen auf mich, dass ich einen Mann getötet hatte.
    Ich redete mir ein, dass er den Tod verdient hatte. Die Zielstrebigkeit, mit der er den verlassenen Waldweg angesteuert hatte, und die Art, wie er über meine Abwehrversuche gelacht hatte, führten mich zu der Überzeugung, dass er das, was er versucht hatte mir anzutun, schon anderen Frauen angetan hatte. Trotzdem gab es für mein Verhalten - das rein triebhaft gewesen war - letzten Endes keine Entschuldigung. Das, was ich getan hatte, widersprach allem, was mir mein Vater je beigebracht hatte.

    Es gab aber auch Momente, in denen ich die Werte, die mir mein Vater beigebracht hatte, infrage stellte. Was spielte es für eine Rolle, ob man in Geschichte, Literatur, Wissenschaft oder Philosophie bewandert war? All mein Wissen hatte mich nicht davor bewahrt, jemanden umzubringen, und nützte mir auch jetzt in keiner Weise etwas. Aber ich hatte überlebt; das war alles, was zählte.
    Während dieser nebelhaften Monate waren meine Träume düster, oft auch brutal, und handelten von Bestien und Schatten und geisterhaften Bäumen. In

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