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Das Zeichen des Vampirs - The Society of S

Titel: Das Zeichen des Vampirs - The Society of S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hubbard
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würde. Also zog ich dieselbe Hose, die ich schon seit Tagen trug, und eine immerhin fast frische Bluse an, faltete die Jacke zusammen und packte sie in den Rucksack.
    Als ich anschließend auf den Balkon trat und zu der kleinen Insel hinüberblickte, um nach Bob zu suchen, stellte ich fest, dass er einen Spielkameraden hatte, einen kleineren Affen, der auf einer zwischen zwei Bäumen gespannten Seilbrücke hinund herschwang. Während ich die beiden beobachtete, näherten sich zwei Tretboote der Insel, und ich sah, wie die Leute, die darin saßen, ihre Kameras zückten. Bob und sein Freund hörten sofort auf zu spielen. Sie rannten zum Ufer, blieben dort nebeneinander stehen und starrten die Kameras an.
    Können sie denn nicht schwimmen? , fragte ich mich. Ich sah ein letztes Mal mitfühlend zu ihnen hinüber und schickte ihnen ein stummes Lebewohl.
    Eigentlich hatte ich vorgehabt, ins Postamt zu gehen, um der Frau zu sagen, dass ich im Riverside Resort wohnte. Aber ich hatte noch keine hundert Meter zurückgelegt, da fielen mir
mehrere kleine Menschengruppen auf, die entlang der Straße standen und in den Himmel blickten, als würden sie auf etwas warten. Es waren auch Schulkinder dabei, die sich um ihre Lehrer geschart hatten und kleine Kartonstücke in der Hand hielten. Alle redeten aufgeregt durcheinander, und nach einer Weile begriff ich, dass sie hier standen, um eine Sonnenfinsternis zu beobachten.
    Ich hatte noch nie eine Sonnenfinsternis erlebt und nur einmal im Fernsehen bei den McGarritts einen Bericht darüber gesehen. Als ich jetzt in der Nähe einer der Schulklassen stand, hörte ich deshalb ganz genau zu, wie die Lehrerin den Verlauf der Finsternis erklärte und beschrieb, wie der Mond in den Kernschatten der Erde treten würde. Sie ermahnte die Kinder, nicht direkt in die Sonne zu blicken, sondern ihre Lochblenden aus Pappe zu benutzen, und erinnerte sie noch einmal daran, auf den »Diamantringeffekt« zu achten.
    Als die Lehrerin ihren Vortrag beendet hatte, fragte ich sie, ob sie noch so eine Blende für mich übrig hätte. Sie sah mich seltsam an, reichte mir dann aber zwei von den Kartonstücken. »Vergiss nicht, der Sonne den Rücken zuzukehren«, sagte sie. »Bist du von hier?«
    »Nein, ich bin nur zu Besuch«, antwortete ich. Und dann hörte ich, was sie dachte: Sie sieht aus wie Sara.
    »Kennen Sie meine Mutter?«, fragte ich, aber da hatte sie sich schon wieder zu ihrer Gruppe umgedreht. Als der Himmel begann, sich zu verfinstern, und die Luft kühler wurde, kehrten wir wie folgsame Entenküken der Sonne den Rücken zu. Ich hielt die beiden Kartonstücke so, dass das Abbild der Sonne durch das Loch in dem einen Karton auf den anderen projiziert wurde. Es funktionierte: Sie zeichnete sich als kleiner weißer Kreis auf dem Pappstück ab.

    Hatten eben noch alle laut durcheinandergeredet, so verstummten sie plötzlich. Als der Mond sich in den Erdschatten schob, wurde die Sonne auf meinem Karton zu einer Sichel und sah für einen kurzen Moment tatsächlich aus wie ein Dia mantring - ein strahlender Edelstein, der auf einem dünnen Lichtkreis mit einem schwarzen Zentrum lag. Der Anblick war, um es mit Kathleens Worten zu sagen, total cool, und plötzlich musste ich an sie denken - wie sie auf ihrem Fahrrad vor mir hergerast war oder auf den Kissen am Boden gelegen, ihre Haare nach hinten geworfen und gelacht hatte -, damals hatte sie vor Leben gesprüht und war noch kein Mordopfer gewesen. Während ich im Dunkel der Sonnenfinsternis stand, wünschte ich mir, sie hätte jetzt dabei sein können, und hoffte von ganzem Herzen, dass sie ihren Frieden gefunden hatte.
    Wie lange es dauerte, bis die Sonne wieder zum Vorschein kam, weiß ich nicht mehr. Nur dass wir schweigend wie Trauernde im Dämmerlicht standen und ich immer noch auf meine Kartonstücke starrte, als dort schon längst nichts mehr zu sehen war. Ich hoffte, dass keiner bemerkte, wie ich weinte.
    Das laute Stimmengewirr der anderen ließ mich wieder zu mir kommen. Ich wischte mir die Tränen mit dem Blusenärmel weg, und als ich wieder auf blickte, schaute ich direkt in die Augen meiner Mutter.
    Sie stand neben einer Gruppe von Kindern und sah zu mir herüber. Bis auf ihre Kleidung - ausgewaschene Jeans und ein T-Shirt - sah sie exakt wie die Frau auf den Hochzeitsfotos aus: helle Haut, lange Locken, die aus ihrer Stirn nach hinten fielen, Augen so blau wie ein Lapislazuli.
    »Da bist du ja«, sagte sie. »Wir haben uns schon gefragt,

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