Das Zeit-Tippen
Ausstellungsraum, war zu schäbig für Effekte. Ein schäbiger Laden lockte die Passanten an, die ein gutes Geschäft machen wollten. Schockgeschützte Zeitschriften säumten die fleckigen weißen Wände. Die Nischen aus Plastikglas enthielten kleine Telefexapparate, pornographische Telefexbänder und ein Sortiment selbsterregender Geräte: Händchen-Spendchen – zum Streicheln entworfene und programmierte Roboter – und Vibratoren mit regulierbarer Frequenz und Stärke in verschiedenen Größen und aus verschiedenem Material sowie mit einem Wärmeregler. Und auf einem kleinen Schild über Chaims Ladentisch stand untelepathisch: P UPPEN V ORRÄTIG .
„Diese Zeitschriften sind sehr selten.“ Laß ihr Zeit, sagte sich Chaim.
„Wieviel? Kein Gefeilsche“, sagte sie und kam zu Chaims Ladentisch. Ihr Gesicht war rot und glatt – straffe synthetische Haut über einem Drahtgestell.
„Also“, sagte Chaim, „Pornos aus dem 20. Jahrhundert, schon allein das Papier ist wertvoll…“ Er machte eine angemessene Pause. Sie reagierte nicht richtig. Statt nach dem gesetzlich festgelegten Preis zu fragen, statt einen Kurskontrollapparat hervorzuziehen und dann innerhalb der bekannten, von ihrer eigenen Sammlergilde festgesetzten Parameter zu feilschen, spitzte sie den Mund und musterte die Wand über Chaims Kopf.
Vielleicht ist das ein neuer Dreh, dachte Chaim, aber die Rufe und Spötteleien neuer Kunden störten seine Konzentration. Ein schätzungsweise neunzehnjähriger Bursche mit nacktem Oberkörper und offensichtlich stolz auf seine ihm auf Brust und Arme transplantierten männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane führte ein Dutzend Leute in den Laden. Er hatte langes, zu Zöpfen geflochtenes blondes Haar, und sein Gesicht war geschminkt und gefurcht. Er fummelte an einer großen Brust herum, um zu beweisen, daß er ein Mann war. Das war der letzte Modeschrei. Die anderen sechs Burschen brüsteten sich auch mit Geschlechtsorganen auf Armen und Brust, aber die Frauen waren schlicht gekleidet, so daß Chaim nur raten konnte, was sie verbargen.
„Wo sind Ihre Einhaker?“ fragte der blonde Bursche mit dem Gossendialekt der Undercity.
„Nebenan“, sagte Chaim. „Aber passen Sie auf. Es sind viele Sensorien darin.“ Noch eine sensationslüsterne Familie, dachte Chaim. Kinkies. Auf Grund ihres Akzents nahm er an, daß sie aus dem nahen Industriegelände der Unterstädte kamen, obwohl eine von ihnen – ein spindeldürres Mädchen mit einem breiten Mund und einem geröteten Gesicht – mit einem affektierten Akzent der Oberstadt sprach. Alle Unterstädte waren identische Zonen, eine Meile im Durchmesser, und lagen tausend Fuß unter der Oberfläche. Aber die Undercity stand an erster Stelle; die anderen Unterstädte waren nach Familien und Persönlichkeiten benannt wie Ryan, Gulf, Rand, Lifegarten und weniger großen Leuchten. Lifegarten war die mächtigste. Es setzte sich aus zwölf Zonen zusammen und wurde wie ein Staat von einem eigenen Untergouverneur regiert.
Das Mädchen mit dem Oberstadtakzent wackelte mit dem Kopf – noch so eine Oberstadtallüre, dachte Chaim – und flirtete mit dem blonden Burschen. Sie trug ihr langes blondes Haar in fettigen Löckchen, die winzige Flecken auf ihrem Kleid hinterließen. „Puppen“, sagte sie. „Das ist der Laden, in dem man Puppen kaufen kann. Herbesh hat mir davon erzählt…“
„Halt die Schnauze“, sagte ein anderes Mädchen mit dickem Fabrikakzent. „Wenn du schon mit uns bummeln gehst, dann halt gefälligst die Schnauze.“
„Die ist ganz in Ordnung“, sagte der blonde Bursche lachend. „Sie ist nicht mal eine Sammlerin und noch weniger eine Schnüfflerin.“
Die Frau im Ballonanzug erstarrte, nahm aber keine Notiz von den Kinkies. Sie verschwanden, um die Gefühlskitzler auszuprobieren, und der Raum war wieder still.
Sie ist also eine Sammlerin, dachte Chaim. Aber sie möchte keine Pornos haben, sondern Puppen. Bei der Gnade Gottes und weniger Kommentaren von diesem unsympathischen heiligen Mann, dem Baalschem, mußte er versuchen, ihr das auszureden. Chaim mußte sich freilich damit beeilen, denn Levi würde gleich hier sein, und er glaubte nicht an die göttliche Religion – in der Armee war er von Atheisten ausgebildet worden. Jetzt ist er ein Spitzel, dachte Chaim. Und mein eigener Blutsgeist.
„Sie verkaufen, glaube ich, Puppen“, sagte die Frau in dem Ballonanzug. „Ich möchte eine kaufen, und ich bin bereit, so lange hier
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