Das Zeit-Tippen
bedeuten. Herbeshs Kinkies-Clanmitglieder würden ihr Leben lang psychologisch verhunzt sein – das würde der Fex daraus ersehen. Chaim konnte sich schon den Skandalfex von morgen vorstellen. Herbeshs- Reyak, der nur eine Melodie kennt, wird einen neuen Song komponieren. Und Paskudnyak, der unsere Leben schändet, wird siegen. Das wäre zuviel für die geschwächte Moral des „Städtl“. An Chuzpe fehlt es ihnen wirklich nicht, dachte Chaim.
„Rotes Licht“, sagte Chaim zu seinem Bruder. Levi zuckte mit den Achseln. Ihn traf keine Schuld: Er arbeitete nicht offiziell. Versuchte Raubüberfälle waren gang und gäbe, und Chaim hatte es sich zum Prinzip gemacht, die Kunden nicht aufzuregen. Alles war reine Routine. Die Sensorien würden jeden Kunden gedankensondieren, jede Hitzewaffe unwirksam machen, wenn nötig ein Schockfeld schaffen und die Polizei benachrichtigen. Da verborgene Projektile als „zivilrechtlich strafbar“ bezeichnet wurden, lag es im Ermessen des Besitzers, welche bei sich zu haben. Chaim konnte sich nicht erinnern, ob er (vorübergehende) Paralyse oder Verstandesausschaltung programmiert hatte. Es spielt keine Rolle, dachte er.
„Ich seh mal nach, was da vor sich geht“, sagte Chaim zu Levi. Die Polizei wartete wahrscheinlich um die Ecke. Es war wahrscheinlich zu spät, die Puppen fortzuschaffen.
„Warum auch? In einigen Minuten wird es vorüber sein.“
Davor habe ich Angst, dachte er, während er den Raum durchquerte.
„Aber du begibst dich selbst in Gefahr…“
Er sollte aufpassen, dachte Chaim. Er würde mit Fruma schlafen. Er sollte froh sein, daß ich ihm nichts sage. Was konnte er denn anderes tun, als alles zu verderben? Ein Gebet murmelnd, ging Chaim in den Emotionsraum. Beide Telefexgeräte wurden benutzt, ebenso wie die weniger exotischen zerebralen Einhaker. Ein Bursche und ein Mädchen, beide nackt, waren in die Telefexbügel geschnallt worden, und ihre Rücken lehnten an den Stützpolstern, die ihre Spinalnerven stimulierten und die Pornobänder aktivierten. Ein Netz von mikronisierten Düsentransduktoren versorgte sie mit Tastinformationen, und sie empfingen auch audio-visuelle Bewegungsregeneration. Die Knie des Mädchens krümmten sich. Das Spinalpolster beschleunigte ihren Pulsschlag durch das ständige Abspielen von „Animalische Liebe“. Ihr Freund in dem anderen Telefex hatte die Wehen des Orgasmus. Die letzte stellvertretende Sensation.
Chaim wandte den Blick von ihnen ab. Die anderen, die an die kleinen Einhakerkonsolen angeschaltet waren, waren benommen. Doch der blonde Bursche und das Mädchen aus der Oberstadt standen neben der hinteren Tür. Die Tür war offen und enthüllte einen Teil des sensoriellen Lagerraums. Die Puppen lagen in einem Schließfach am anderen Ende der Lagerraumwand. Er hoffte, daß es ihnen nicht gelungen war, das Schließfach zu öffnen und die Puppen zu finden.
„Die Polizei wird gleich hier sein“, sagte Chaim. Er versuchte, sein Zittern zu unterdrücken.
„Wir warten“, sagte der blonde Bursche. Er nahm das Mädchen aus der Oberstadt bei der Hand.
„Es steckt also ein Plan dahinter“, sagte Chaim.
„Nein“, sagte das Mädchen. „Es ist nur zum Spaß. Wir tun das nur, um Ihnen einen Streich zu spielen und uns zu amüsieren. Als Kinder haben wir schließlich ein Recht auf ein bißchen Spaß.“
„Gehört ihr zu Herbeshs Clan?“
„Er ist mein Onkel“, sagte der Bursche. „Fürchten Sie sich nicht vor Paskudnyaks Rache?“ Das Mädchen kicherte. „Wenn er dahinterkommt, daß Sie Kindern Puppen verkaufen und ihre unschuldigen Seelen mit Schmutz besudeln, entsteht ein Skandal. Und wo würden Sie dann arbeiten?“
„Hungrige Juden“, sagte das Mädchen.
„Ihr mögt zwar Herbeshs Clan angehören“, sagte Chaim, „aber ihr seid keine Kinder mehr.“ Chaim wußte, daß er in der Falle saß. Herbesh würde eine wörtliche Auslegung des Gesetzes schwarz auf weiß verlangen, die Gerichte anrufen und das „Städtl“ auf jedem Fex-Kanal wegen Vertreibung von Schund an Unschuldige anprangern. Aber wenn es keine Puppen gäbe, könnte nichts bewiesen werden.
„Die Polizei wird gleich hier sein“, sagte der Bursche. „Alles ist vorbereitet. Vielleicht hätten Sie…“ – er verfiel in seinen Gossendialekt – „… gerade noch Zeit. Es ist nur ein Spiel.“
„Sie kennen ja den Werbefunk“, sagte das Mädchen. „Der Nachrichtenfex von heute wird der Skandalfex von morgen sein.“
„Habt ihr das
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