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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Dann
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stehenzubleiben und darum zu feilschen, wie Sie wollen. Ich weiß, daß die gesetzlich festgelegten Preise nicht für ausländische Waren gelten.“
    „Sie scheinen zu wissen, was Sie wollen. Aber warum wollen Sie gerade das…“
    „Na, kommen Sie schon, ich habe es mir eben in den Kopf gesetzt.“
    „Dann wissen Sie also über Puppen Bescheid?“ fragte Chaim, während seine Gedanken abschweiften. Etwas an den Kinkies beschäftigte ihn, aber er wußte nicht, was es war. Vielleicht war es etwas, das sie sagten. „Es ist eine Perversion“, sagte Chaim. „Man kann sich mit Puppen nicht selbstbefriedigen.“
    „Das steckt also dahinter, wie?“ fragte sie.
    „Sex soll doch nicht…“
    „Sex geht mich nichts an.“ Sie legte die Hände auf Chaims Ladentisch. Ihr Anzug änderte unter Einwirkung der wechselnden Farben, die durch die kleinen, hohen, pentagrammförmigen Fenster hereinströmten, die Farbe. „Ich bin geschlechtslos – natürlich aus freier Wahl. Ihnen sollte das vertraut sein. Empfiehlt Ihre Religion nicht ihrer Jugend Geschlechtslosigkeit, bis sie heiratsfähig ist, um sie rein zu halten?“
    Im Geiste beendete Chaim den Satz: In Gottes Augen. Er musterte ihr Gesicht. Es war eine zu perfekte Arbeit, dachte er. Es gab darauf keine Charakterzüge, keine Unregelmäßigkeiten, keine Pickel oder Narben, und ihre Stupsnase (das war der Stil) bedeckte ihr Gesicht nicht genug, und ihr Mund war zu schmal. Aber so sollte es wohl sein, dachte er. Er konnte darin keine Sinnlichkeit entdecken, nur reinen Zweck.
    „Warum wollen Sie denn dann die Puppe haben?“ fragte er. „Im Sex liegt das Erregende. Wo sonst?“
    „Das ist es ja gerade. Ich möchte ohne meinen Unterleib damit herumexperimentieren. Ich möchte sie in meinem Kopf haben.“
    „Aber Puppen sind zur Frustration da, um den Genuß aufzubauen und ihn dann in einem selbst in die Falle zu locken, bis er zum Schmerz wird. Zu unerträglichem Schmerz. Nichts kann heraus.“
    „Müssen wir das Gespräch weiterführen? Ich zahle bar. Sie haben Ihre Pflicht getan. Was wollen Sie noch mehr? Ihr Juden wollt doch nur Geld verdienen.“
    „Wir wollen einfach leben“, sagte Chaim, wobei er wieder an die Kinkies dachte. Sie sagten etwas. Er hatte dieses Gespräch schon zu oft geführt.
    „Auf diese Art?“
    „Mehr ist uns nicht erlaubt. Es ist eine lange Geschichte und wie alles übrige Politik.“
    „Aber Ihre Sekte hat Geld – sie ist sogar sehr reich.“
    Chaim seufzte und fuhr mit dem Daumen über den verstärkten Rand seiner Tasche. Lebe in der Gehenna oder sei geschieden. Die Diaspora der Reichen. Aber fast jeder ist reich, dachte Chaim. Um den Satan zu überwältigen, muß man ihn erst kennen. Ihn kennen und sich doch nicht bestechen lassen.
    „Geld ist für manches gut“, sagte Chaim. „Es ist Teil des Planes von Paskudnyak. Haben Sie davon gehört?“ Es wirkte. Sie kaufte vielleicht doch keine Puppe.
    Sie lachte, wobei ihre Mundwinkel effektvoll zuckten. „Das ist eine Legende, ein Ammenmärchen. Es gibt keinen Beweis dafür. Niemand versucht, einen zu bestechen. Es ist ein Trick, um Kindern Angst einzujagen.“
    Sie hat die feste Absicht, diesen Dibbuk zu erwerben, dachte Chaim.
    „Nun“, sagte sie, „wieviel kostet die Puppe?“
    „Schon beim Anblick einer neuen Puppe wird einem etwas genommen. Etwas Gutes, das in einem lebt.“
    „Ja, ich weiß.“ Sie grinste. „Wieviel?“
    Eine Närrin, dachte er. „Sie wird tatsächlich die Form der eigenen Frustrationen annehmen.“
    „Wieviel?“
    „Es ist nicht einmal bekannt, ob die Puppe irgendein mechanisches Spielzeug ist oder ob sie lebt. Niemand weiß das.“
    „Wieviel? Wievielwievielwieviel?“
    „Sie gewinnen also“, sagte er zu niemand Bestimmtem im Raum. Herbesh. Das war das Wort, das das Mädchen aus der Oberstadt benutzt hatte. Wo hatte er es schon einmal gehört? Herbesh. Etwas über…
    „Deine Zeit ist um“, sagte Levi Lewis, als er von der Straße hereinkam. Einen Augenblick badete der kleine Ausstellungsraum in einem gespenstischen gelben Licht. Alte Zeitschriften wurden gelb, silberne Händchen-Spendchen glitzerten, und Levis Gesicht, das ein rot-und-silbriger Bart, Schläfenlocken und ein schwarzer Hut mit Pelzrand einrahmten, sah welk und pockennarbig aus. Dann schloß sich die Tür, und der Raum wurde wieder schummerig. Levi war genau wie Chaim angezogen. Er trug einen schwarzen knielangen Kaftan. Seine Hosen waren rot und hatten Bügelfalten und Umschläge.

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