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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Dann
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Puppenfach geöffnet?“ fragte Chaim. Der Bursche und das Mädchen lachten ihn aus.
    „Wir wissen das, und Sie müssen es feststellen.“
    „Asessponim“, murmelte Chaim mit einem letzten Aufbegehren des Stolzes. Sie lachten weiter, als er an ihnen vorbei in den Lagerraum ging. Der Lagerraum war durchstöbert worden: Der Boden war mit zerrissenen alten Zeitschriften, mutwillig abgespulten Telefexbändern und zerbrochenen Steckern übersät. Ein Kinkie-Mädchen (Chaim war nicht sicher, ob es ein Er oder eine Sie war, denn es hatte nichts an) kauerte an der Wand und verbarg welchen Geschlechtsteil auch immer zwischen spindeldürren Beinen. Chaim hoffte, daß sie keine Puppe in den Armen wiegte.
    Das Schließfach war zu. Aber Chaim blieb keine Zeit. Seine Ohren brannten. Ich renne, dachte er, wie ein Tier vor diesen Kindern davon – dabei müßten sie vor mir davonrennen: Sie haben das Gesetz gebrochen. Was macht es aus, fragte er sich. Iß jetzt Dreck, werde später zu Asche.
    Er mußte die Puppen auf die Straße schaffen. Es lief ihm kalt über den Rücken – sollten sie etwas mit den Puppen angestellt haben? Was wäre, wenn sie an dem Schließfach herumgefummelt hätten, fragte er sich. Was konnte er anderes tun, als die Augen zu schließen und zu beten? Die Polizei sollte inzwischen da sein, dachte er. Keine Zeit. Bringen wir es hinter uns. Sollten sie das auch geplant haben? Natürlich, mit dem Shtot Balebos. Was geht ihn das an?
    Chaim steckte die Finger in eine chiffrierte Vertiefung des Schließfachs. Ein sanftes Aufleuchten, und die Tür öffnete sich und enthüllte Glastexplatten mit Puppen in Reih und Glied. Und jede Puppe hatte ein verzerrtes Gesicht. Chaims Gesicht.
    Sie haben die Puppen ausgepackt, dachte Chaim. Plastikhüllen stapelten sich ordentlich auf der obersten Platte.
    Kleine um kleine Zähne geschlungene Zungen, schielende Porzellanaugen, Runzeln und Glatzen.
    Versteinerte Schreier.
    Alle schauten Chaim von ihren Glastexplatten an.
    Chaim schrie und preßte dabei die Hände vor die Augen, damit die Puppen nicht in seinen Kopf gelangen konnten. Aber das war schon geschehen. Sogar mit geschlossenen Augen hatte er jede von ihnen „geprägt“. Innerhalb eines Sekundenbruchteils übertrug er jeden seiner Impulse und Emotionen auf die Puppen, vor allem Angst. Sie saugten sie auf und transformierten sich in ein Muster, das sich am besten dazu eignete, ihn zu frustrieren und zu animieren.
    „Dibbuks sind in mich eingedrungen“, brüllte er und versuchte die Geister auszutreiben. Er konnte fühlen, wie jeder von ihnen sich in seinem Verstand vergrub, seine Gedanken verwirrte, seine sündigsten Wünsche genoß. Chaim konnte die Kinkies lachen hören. Wie Glockengeläut, dachte er. Laß sie nur lachen – nach Gottes Willen über mich.
    „Skandalfex“, sagte das Mädchen. „Sie sollten lieber Ihre Puppen zusammenraffen und mitnehmen. Keine Zeit zu verlieren…“ – ein Abrutscher in den Gossendialekt, eine Oberstadtallüre. „Die Polizei wird gleich da sein, und die Gören hängen mit roten Gesichtern und Erektionen an den Telefexen und hocken mit in ihre rosigen Köpfe eingestöpselten Einhakern auf dem Boden. Es sieht übel für Sie aus.“
    „Ganz richtig“, sagte der blonde Bursche und kniff sie in die Wange.
    Es war wahrscheinlich eine List, dachte Chaim. Keine Polizei würde da sein. Aber er konnte das Risiko nicht eingehen. Herbesh würde keine ausgepackten Puppen in der Nähe seiner Verwandten dulden. Die Einhaker und Telefexen würden nur leicht bestraft. Sollte Levi sich den Kopf darüber zerbrechen – dieser loksch Spitzel.
    „Und wir behaupten, daß Sie uns mit diesen Puppen geprägt haben“, sagte der Bursche, „wobei wir schreien und obszöne Gebärden machen und lachen und uns an den Kopf fassen. Ausländischer Abschaum, wissen Sie.“
    Sie müssen eine Verstandesblockade benutzt haben, um die Puppen auszupacken, dachte Chaim. Er stellte sich vor, daß der blonde Bursche und das Mädchen aus der Oberstadt nackt waren. Sie standen im Dunkeln, hatten dicken Stoff um ihre boshaften Gesichter gewickelt und öffneten sorgfältig jede Verpackung. Gotenju, dachte er. Die Dibbuks verwandeln mich schon, besudeln meine Gedanken. Er raffte die Puppen zusammen – sie waren so groß wie seine langen Hände – und warf sie in einen Karton. Sie werden miteinander verschmelzen, dachte er. Na, laß sie doch. Sie werden meine Seele aussaugen. Was für eine schwarze Seele kann man doch

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