Das Zeit-Tippen
nichts zu tun“, sagte Pfeiffer, als hätte Mantle eine Frage gestellt. Wieder dieser Ton von oben herab, aber so war Pfeiffer eben. Er war ein kräftiger Mann mit einem Babygesicht und einem von silbergrauen Fäden durchzogenen blonden Haarschopf. Pfeiffer sah wie ein erfolgreicher Reporter aus: teure Kleidung, die schon ein wenig abgetragen schien, sicheres Auftreten, ein fester Blick, ein strahlender, anheimelnder Typ, eindeutig ein Medien-Mann, nicht so ein eingesperrter Nachrichtenfixtechniker wie Mantle, sondern ein Schauspieler, ein holographisches Bild, das jeden Abend in Millionen von amerikanischen Wohnzimmern gesehen wurde. Pfeiffer war der gute Onkel Doktor, der seinen Patienten die tägliche Dosis schlechter Nachrichten schmackhaft machen konnte. Andererseits wirkte Mantle als Nachrichtensprecher zu bedrohlich. Er hatte ein straffes, festes Gesicht, hohe Backenknochen, tiefliegende blaßblaue Augen und ein kräftiges, zerklüftetes Kinn. Er sah jünger aus als vierzig.
Mantle war überrascht, daß Carl noch nichts von seinen neuesten Leistungen und Erfolgen erzählt hatte.
„Ich muß sagen, daß die Dinge für mich ganz gut gelaufen sind“, sagte Pfeiffer wie auf ein Stichwort hin. „Hast du irgendeine meiner Shows gesehen?“ Er zog einen schmalen braunen Aktenkoffer hinter seinem Rücken hervor.
„Hast du deinen Aktenkoffer getarnt?“ fragte Mantle, aber Pfeiffer kicherte nur.
Als er Mantle die drei Treppen hinauffolgte, erzählte er ihm von seinen letzten Büchern – er war ein lesbarer, wenn auch etwas pedantischer Essayist und verkaufte alles, was er schrieb, an die populären Fex-Magazine. Der Gedanke war bedrückend, daß Pfeiffers weise Prachtstücke aus jedem Wohnzimmer-Computer-Terminal in Amerika kullerten. Seine gesammelten Essays wurden gebunden, wirklich eine Ehre, und das Schönste daran war, daß er auch wieder Belletristik verfaßte (seine Belletristik war fürchterlich), und natürlich verkaufte er sie unter einem Pseudonym, und, ja, er hatte endlich einen Roman verkauft, und der würde erst gebunden erscheinen und dann für eine Riesensumme an die Fex gehen, und er nahm Urlaub, um sein Buch zu vollenden.
Bist du immer noch neidisch, fragte sich Mantle, oder war auch dieses Gefühl erloschen? Aber das war jetzt unwichtig: das einzig Wichtige war, daß Pretre sich heute meldete.
Das Treppenhaus war dunkel, fensterlos, bis auf den obersten Absatz, der ein gelb-rot-orangefarbenes Glasfenster hatte und in auffallendem Kontrast zum restlichen Treppenhaus sauber war. Madame Acte und ihre wabbelige Tochter fegten täglich, aber keine von beiden machte sich die Mühe, ein Kehrblech zu benutzen, und Mantle störte der Dreck, den sie auf seinem Treppenabsatz hinterließen, nicht genug, um ihn zu beseitigen.
Als Mantle seine Wohnungstür öffnete, fiel ihm ein, daß er den Computer-Stecker herausgezogen hatte. Vielleicht hatte sich Pretre schon gemeldet? Er entschuldigte sich und eilte ins Wohnzimmer, um die eventuell für ihn hinterlassenen Nachrichten auf der Computer-Konsole abzuspielen: Es waren keine auf dem Tele-Band.
„Alles okay, komm rein“, sagte er zu Pfeiffer, der auf der Türschwelle gewartet hatte.
„Du hast meine Nachricht also doch bekommen“, sagte Pfeiffer; es war keine Frage.
Mantle überhörte das und sagte: „Ich fürchte, daß es hier ziemlich unordentlich ist.“ Er hatte das Dienstmädchen entlassen. Er konnte es nicht ausstehen, wenn sie in seinem Schlafzimmer herumwurstelte, seine Tagebücher und Erinnerungsstücke befingerte, die alles waren, was ihm von Josiane noch geblieben war.
Pfeiffer stellte seinen Aktenkoffer mitten ins Wohnzimmer (und bestimmt hatte er vor, möglichst lange zu bleiben), dann schnüffelte er herum wie ein gelbbraunes gedrungenes Tier. Das Zimmer hatte breite, hohe Fenster, durch die das Morgenlicht hereinfiel. Vor den Fenstern standen auf einer bunten Matte zwei Staffeleien und ein vergammelter Schreibtisch aus Satinholz, der mit zerbrochenen Farbtöpfen und Pinseln besät war. Auf der farbbeschmierten Video-Konsole und dem unvermeidlichen Computer-Terminal sowie darum herum stapelten sich gebundene Bücher, Fex-Bänder und Zettel und ungeordnete Haufen aufgezogener und grundierter Leinwände.
Die Wände, von denen der Kalk abblätterte, waren mit Mantles eigenen Ölbildern und Graphiken bedeckt, mit Ausnahme einiger Radierungen von Fiske Boyd, einem wenig bekannten Künstler des 20. Jahrhunderts. Die meisten Bilder waren
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