Das Zeit-Tippen
auf, und er zog den Knopf aus seinem Ohr. Er brauchte keine Beruhigungsmittel, zumal er sie sowieso zu Hause vergessen hatte.
Hilf mir, Josiane…
Er blieb stehen und betrachtete das Meer, das jetzt azurblau und still wie ein See vor ihm lag. Ein weißer Sandstreifen erstreckte sich, glatt wie Zement, soweit er blicken konnte. Ein Paddelboot glitt langsam vorbei, in dem eine beleibte Dame und ein junger Mann miteinander gestikulierten, während sie ausholten und eine schmale Doppelspur hinter sich zurückließen.
Mantle erinnerte sich, wie er im warmen, seichten Wasser mit Josiane geschwommen war; aber das lag lange zurück, noch bevor sie verheiratet, sondern einfach wie Bruder und Schwester waren. Er erinnerte sich an Paddelboote und an das prächtige purpurrote portugiesische Kriegsschiff, das müßig auf dem klaren Wasser trieb, dessen Sandgrund gefurcht war, als hätte ihn ein Unterwasserfarmer gepflügt.
Als er sich besser fühlte, machte er sich auf den Heimweg. Er zählte die Bäume und atmete den salzigen Modergeruch des Mittelmeeres ein. Zerrissene Nachrichtenbänder schwirrten im Wind auf ihn zu wie Tauben auf der Jagd nach Brot. Er kam an einer alten Frau vorbei, die gerade das Trottoir vor einem schäbigen Bistro, dem Club California, fegte. Sie warf ihm einen schiefen Blick zu und wirbelte Staubteufel in die Luft.
Er nickte ihr zu und schlug die Richtung zum alten La Castre-Museum ein. Das Meer lag nun hinter ihm, die Straßen waren vom Lärm der Händler, Kinder und versammelten Nachbarn erfüllt. Er kam an Ellens Wohnung vorbei und verspürte die alten Schuldgefühle. Er überlegte sich, ob er zum Strand zurückkehren sollte, aber wenn sie nicht mehr dort wäre, würde er nur frustriert und wütend nach ihr suchen. Später würde er es wiedergutmachen. Sie würde ihn verstehen – wie immer.
Er fühlte sich von einer gewissen Elektrizität umgeben, als braute sich ein Sturm zusammen. Dabei war der Himmel wolkenlos. Aber etwas würde heute noch geschehen, etwas, das ihn Josiane näher bringen würde. Er wußte es eben. Vielleicht würde Pretre vorbeikommen, um ihm die Erlaubnis zu bringen, sich an einen toten Schreier anzuschließen.
Vielleicht konnte Mantle Josiane im Geist eines Toten finden.
Carl Pfeiffer stand vor Mantles Haus in der Altstadt.
Mantle lebte in einem verblichenen, schmutziggelben Haus mit dünnen Wänden und lauten Nachbarn – direkt unter dem alten Glockenturm, dem großartigen Mechanismus, der das alte Cannes beherrschte. Vor den dichtgedrängten Häusern mit Ziegeldächern lag der Platz und stand die Kirche der Guten Hoffnung, dann kamen mehr Häuser und Läden, weniger verfallen und mit einem besseren Blick auf den Hafen und die in Dunst gehüllte Insel Ste. Marguerite.
Bevor Mantle die Richtung ändern konnte, hatte Pfeiffer ihn gesehen und rief ihn und winkte mit beiden Händen.
Was zum Teufel hat er hier zu suchen, fragte sich Mantle, der sich schon wie in einer Falle fühlte. Jetzt war es zu spät, zur Rue Perrissol zurückzukehren, Ellen zu finden und die Zeit totzuschlagen, bis Pfeiffer müde wurde und verduftete.
„Ich habe hier seit einer Stunde gewartet“, sagte Pfeiffer und wich einen Schritt zurück, als hätte Mantle ihm einen Stoß versetzt. Tatsächlich war ihm der Gedanke in den Sinn gekommen. „Ich habe gestern auf deinem Tele eine Nachricht für dich hinterlassen“, fuhr Pfeiffer fort. „Bist du nicht zu Hause gewesen? Spielst du denn das Nachrichtenband nicht ab?“ Er sah Mantle von oben herab an. „Du könntest wenigstens so tun, als» würdest du dich freuen, mich zu sehen. Es ist immerhin schon lange her.“
„Was für eine Überraschung, Carl“, sagte Mantle und kramte in der Hosentasche nach seinen Schlüsseln.
„Du bist mir sicher immer noch böse wegen der Vergangenheit?“ fragte Pfeiffer – eher eine Feststellung als eine Frage. „Laß doch nach all den Jahren diese Dinge ruhen.“
„Vergiß nicht, daß ich mich nicht an die Vergangenheit erinnern kann.“ Pfeiffer konnte das wohl, und deswegen haßte ihn Mantle.
„Was du auch denken magst, ich bin immer dein Freund gewesen.“
„Laß uns nicht davon anfangen.“ Ihre Freundschaft war ruinös gewesen und basierte auf der Prämisse, daß Pfeiffer Erfolg haben und Mantle versagen würde. Dazu hatte Pfeiffer immer seinen Teil beigetragen. Nachdem Mantles Leben zusammengebrochen war, suchte er einen Zugang zu ihm.
„Dies ist nur ein Besuch und hat mit Arbeit überhaupt
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