Das Zeit-Tippen
oder vielleicht etwas essen. Es ist an der Zeit.“ Trotz all seiner Prahlerei und seinen Unabhängigkeitsbekundungen fühlte sich Pfeiffer allein nicht wohl, es sei denn, er schrieb – und sogar dann hatte er lieber Leute um sich, denen er seine Werke vorlesen konnte. „Vielleicht darf ich mich euch anschließen. Ich kann während der Zeremonie auf dich warten, und anschließend kannst du mir die Stadt zeigen.“ Er lächelte. „Weißt du, ich habe schon seit einiger Zeit keine Frau mehr gehabt.“
Pfeiffers falsche Vertraulichkeit berührte Mantle peinlich. Erneut hatte Mantle das Gefühl, in der Falle zu sitzen, als hätte Pfeiffer ihn wirklich am Haken. „Verdammt noch mal, Carl, ist es dir nicht in den Sinn gekommen, daß mir heute abend nicht danach ist, einen Stadtbummel zu machen? Oder mit dir zusammen zu sein? Ich habe etwas vor, laß mir also gefälligst etwas Spielraum.“
Pfeiffer blieb wie üblich unerschütterlich und sagte: „Das Begräbnis wird dich bedrücken. Es wird dir guttun, danach etwas bummeln zu gehen.“
„Hau ab“, sagte Mantle erschöpft. „Du hast dich überhaupt nicht geändert. Du verstehst immer noch kein Nein!“
„Schon gut, Raymond, es tut mir leid. Aber du kannst mir doch wenigstens verraten, zu was für einer Zeremonie du mich nicht mitnehmen kannst.“
„Die Zeremonie findet für einen Schreier statt“, sagte Mantle und hielt Ausschau nach Pretre, aber die Menge schien ihn verschluckt zu haben. „Möchtest du immer noch mitkommen? Vielleicht könntest du einen Steckkontakt mit deiner Mutter herstellen.“
„Ich habe dir doch schon gesagt, daß es mir leid tut, Raymond.“
(Wie sehr haßte Mantle die Art, wie Pfeiffer seinen vollen Vornamen benutzte, als wäre Pfeiffer ein Professor, der einen unerfahrenen, verpickelten Studenten anredet.) „Du brauchst es nicht darauf anzulegen, mich zu verletzen, und schon gar nicht mit meiner Mutter. Es gab Zeiten, da du ihr recht nahe gestanden hast, weißt du noch?“ Pfeiffer behauptete seine Stellung, seine Anwesenheit erdrückte Mantle.
Mantle hatte Pretre wieder entdeckt und sah, daß Ellen bei ihm war. „Verdammt“, fluchte er vor sich hin und vergaß Pfeiffer, der etwas zu ihm sagte. Was hat sie hier zu suchen? Glaubt sie etwa, daß sie mitkommen kann? Ellen hatte Pretre Mantle aus Gefälligkeit vorgestellt – sie hatte Pretre einmal interviewt; aber niemals hatte sie erwähnt, daß sie je einer Zeremonie beigewohnt hatte. Er empfand widersprüchliche Gefühle. Ihr Anblick, vor allem jetzt, erregte ihn. Er liebte sie mehr, als er sich eingestand, wollte sie beschützen und aus allem heraushalten, was zu Schwierigkeiten führen könnte. Aber mehr noch, er wollte Josiane nicht mit ihr teilen. Einen Sekundenbruchteil lang überlegte er, ob er das ganze Abenteuer nicht aufgeben sollte. Er könnte sein eigenes Leben mit Ellen führen; die Vergangenheit war schon begraben.
War sie vielleicht schon die ganze Zeit ein Mitglied dieser verflixten Kirche, fragte er sich. Ärger und Besorgnis brodelten in ihm.
Pfeiffer nahm ihn beim Arm, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Du willst doch nicht in solche Sachen verstrickt werden. Was ist denn mit dir los?“ fragte Pfeiffer etwas zu laut, denn ein amerikanisches Ehepaar neben ihnen starrte ihn an. „Ein Steckkontakt mit einem Schreier ist rechtswidrig und gefährlich, und über das Schicksal der christlichen Schreier wird noch prozessiert.“
„Man kann nicht gegen den Glauben prozessieren“, sagte Mantle und hielt Ausschau nach Ellen.
Sie tauchte als erste aus der Menge wie hinter einer Mauer auf; Pretre folgte ihr auf den Fersen, starrte Pfeiffer an und richtete dann den Blick auf Mantle.
„Hello, Darling“, sagte Ellen zu Mantle. „Es tut mir leid, daß wir uns verspätet haben, aber das Gedränge ist größer, als wir erwartet haben.“ Dann schaute sie Pfeiffer an und sagte: „Hello.“
„Carl Pfeiffer, das ist Ellen Otur“, murmelte er. Ohne Pfeiffer und Pretre zu beachten, fragte er Ellen: „Was zum Teufel hast du hier zu suchen?“
„Ich hatte vor, dich zu begleiten“, sagte sie mit abgewandtem Blick. „Das erste Mal kann einen aus den Angeln heben.“
„Dann hast du es also schon einmal mitgemacht“, sagte Mantle, und es lief ihm kalt über den Rücken, dann fügte er beherrscht hinzu: „Und du hast mir nie etwas davon erzählt. Warum nicht?“
„Ich habe wie üblich die Nerven verloren. Heute morgen am Strand habe ich versucht,
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