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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Dann
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sich an seine erste Erfahrung mit Aufklärungsdrogen, als der Trip eine Kehrtwendung machte und er durch die rauhen Tunnels seines Denkens in die stinkenden Kuhlen seines Verstandes zurückstürzte, wo alles tot und bleiern war.
    Er könnte sich in dem Schreier verirren, ohne Josiane zu finden. Bei diesem Gedanken schien sich sein Inneres zu öffnen; sein Herz begann zu pochen, und er hatte einen plötzlichen Anfall von Klaustrophobie. Wo war Ellen, um ihn zu beschützen…
    „Wenn Sie nichts dagegen haben, mache ich die Wände wieder durchsichtig“, sagte er zu Pretre, während er auf den dafür vorgesehenen Knopf drückte.
    „Fühlen Sie sich nicht wohl?“ fragte Pretre.
    „Ach, nur eine leichte Übelkeit durch die Geschwindigkeit.“
    Sie fuhren jetzt am Stadtrand wieder über Tag. In kalten Schweiß gebadet, betrachtete Mantle die vorbeiflitzenden Reihen der sonnenbeleuchteten Glastexfenster. Die Stadt gleißte unter dem Abendhimmel wie am Mittag. Kurz danach sausten sie wieder durch die Dunkelheit, den Küstenstreifen entlang. Die Stadtlichter glühten pilzförmig hinter ihnen; Sterne flimmerten schwach über ihnen. Mantles Klaustrophobie wich einem Schwindelgefühl und einem euphorischen Selbstmordtrieb.
    „Ein Teil des Esterei ist noch von den Städten unberührt“, sagte Pretre, während er ostwärts zum Meer starrte. „Das war einmal ein schönes Land voller Blumen und Gras und Kathedralen.“
    Mantle lächelte (glaubte Pretre, daß Kathedralen wie Orangenbäume aus den Boden sprossen?) und erinnerte sich an sein eigenes Land, an Binghamton und dessen hüglige Umgebung; aber das war vor der neuen Route 17 und der furiosen Urbanisierung an der Autobahn gewesen. Die Bewegung der Transkapsel beruhigte ihn, und er bildete sich ein, in einem altmodischen Eisenbahnwagen zu sitzen.
    Gerade da brachte ihn Pretre, durch die Frage aus der Fassung: „Ihr Heimatort ist doch Binghamton?“
    „Ja“, erwiderte Mantle und fragte sich einen Augenblick, ob Pretre seine Gedanken lesen konnte. Zufall, und seine Gedanken wandten sich Ellen zu. Sie hatte Pretre alles erzählt; das wußte er. Wahrscheinlich saß sie gerade mit Pfeiffer an einem Tisch in ihrem Klub. Er malte sich aus, wie Pfeiffer sich über den armen Raymond erging, was für ein Verlust, und wie Ellen ihm zuhörte und nickte. Später würde sie ihn mit nach Hause nehmen und mit ihm ins Bett gehen.
    Bisher hatte Mantle keine Besitzansprüche auf Ellen geltend gemacht; solche Gefühle hatte er seit Josiane nicht mehr gehabt. Ellen hatte immer andere Verhältnisse gehabt, und Mantle hatte sie sogar dazu ermutigt. Es lag an Pfeiffer. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sie Pfeiffer begehrte. Diesen fetten, vögelnden Fischer! Aber das war ein weiterer Selbstbetrug, und Mantle wußte das. Er hatte einfach Angst, sie zu verlieren. Eine uralte Furcht trat wieder zum Vorschein.
    Na schön, vögle mit ihr, dachte er. Sie hat mich nur wegen der Kirche geliebt. Ich muß das gespürt haben, sagte er sich. Vielleicht haben wir deshalb nur so selten zusammen geschlafen; er fühlte, wie er eine Erektion bekam. Nun, als es zu spät war, begehrte er sie.
    „Sie sehen nervös aus, lieber Freund. Wollen Sie ein Beruhigungsmittel? Es wird Sie beruhigen, ohne Ihr Denkvermögen zu beeinträchtigen. Seine Wirkung wird abgeklungen sein, wenn wir den Strand erreichen.“ Pretre musterte ihn scharf, was Mantle unsicher machte.
    „Nein, vielen Dank“, sagte Mantle, während der die dunklen Silhouetten und Schatten wie Schemen in einem Traum des Absturzes vorbeihuschen sah. „Wenn ich es vermeiden kann, nehme ich keine Drogen.“
    „Oh, vielleicht nicht seit Ihrer Einsperrung?“
    „Das hat nichts damit zu tun.“ Du scheinheiliger Hurensohn, dachte Mantle. Er hatte immer noch eine Erektion.
    Pretre schlug einen anderen Kurs ein. Seine Stimme wurde lauter, klang hohler, und sein Akzent trat wieder hervor. „Binghamton war mit Schreiern gesegnet, nicht wahr? Wurde sozusagen von der Singenden Menge verzehrt.“
    Mantle verzog das Gesicht, als er sich an seine Rückkehr in die alte Nachbarschaft erinnerte, die von dem Mob der Schreier verheert worden war. Sie hatten seine Mutter im Bett ermordet. Ja, dachte er und fühlte dabei Angst und Schuld in sich aufkommen, zweifellos war Binghamton gesegnet worden.
    „Aber das hätte nicht zu geschehen brauchen“, fuhr Pretre fort, „denn nach euren Theoretikern erreichte die Bevölkerungsdichte keineswegs die Beshefesche Grenze.

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