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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Dann
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Ich glaube, er hieß Beshefe.“ Der Sarkasmus in seiner Stimme war genauso stark wie sein Akzent.
    „Als Reaktion auf den Streß werden die Leute Schreier“, sagte Mantle. „Man kann den sozialen, gesellschaftlichen Streß auf viele Arten messen. Beshefe war ein Sozial Wissenschaftler und kein Physiker.“
    „Sie glauben also auch, daß unsere Schreier bloß Schizophrene sind?“ fragte Pretre. „Ellen hat das früher auch geglaubt.“ Er lächelte und spielte offenbar mit Mantle, dem nicht danach zumute war.
    Bald wird es vorüber sein, sagte er sich, während seine Gedanken zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her schwirrten wie Glühwürmer im Dunkel seines Gedächtnisses.
    Er erinnerte sich an seine erste Aufgabe beim Nachrichtenfex in Washington, obwohl es sich nur schwer vorstellen ließ, daß es vor den Schreiern schon Mobs und Aufstände gegeben hatte. Er hatte eine Rebellenkapuze getragen und eine kleine Schlagwaffe ergriffen, die eher einem Spielzeug glich. Er hatte solche Angst gehabt, daß er unentwegt: „Mein Gott!“ in sein Aufnahmegerät rief. Er erinnerte sich deutlich daran, als stünde er immer noch im brennenden Park des Colleges, als erstickte er an dem Gestank der Granaten und des verbrannten Fleisches, als hörte er die Leute schreien. Sie hatten versucht, wie Pferde durchzugehen, aber alle waren vom Gedränge eingekeilt. Er erinnerte sich an Dodds, der neben ihm gestanden und in sein Aufnahmegerät gebrüllt hatte, bis seine eine Gesichtshälfte weggerissen wurde, und wie sie sich einen ewigen Pulsschlag lang angestarrt hatten, ehe Dodds umfiel und starb. In diesem letzten Augenblick hatte Mantle nichts anderes als Überraschung empfunden. Aber in seinem Innersten hatte er nur einen Gedanken: Bald würde es vorüber sein. So oder so.
    Ich werde Josiane finden, sagte er sich zur Selbstbestätigung.
    „Nun?“ fragte Pretre. „Was meinen Sie?“
    „Die Schizophrenie ist eine Reaktion auf den Streß“, sagte Mantle. „Aber sie ist auch funktionell mit den biochemischen Vorgängen und den Umweltbedingungen des einzelnen verbunden. Die Schreier sind offenbar anders.“
    „Wieso anders?“
    „Mein Gott“, sagte Mantle. „Sie müssen doch wissen, was ich von den Schreiern halte. Bestimmt hat es Ellen Ihnen erzählt. Sie hat Ihnen doch sonst alles erzählt.“
    „Sie weiß nicht alles von Ihnen.“
    Mantle unterdrückte seinen Ärger; nur seine geballte Faust verriet ihn. War Pretre ein Schreier, fragte er sich. Wenn auch nicht besonders zweigeteilt, so war er doch gewiß schizo…
    „Vermutlich halten Sie mich für verrückt?“ fragte Pretre, während er ins Leere starrte und die Ohren spitzte, als versuchte er etwas in der Ferne zu hören.
    Mantle lief es kalt über den Rücken. Mehr noch als schizophren, dachte er.
    „Nein“, fuhr Pretre fort. „Ich bin nur etwas taub, wie alle von uns, die wir der Kirche der Christlichen Schreier angehören.“ Pretre machte eine Pause, als wartete er auf ein Stichwort von Mantle.
    „Reden Sie weiter“, sagte Mantle. Er war wie üblich nervös, wenn er sich in Gegenwart von Leuten mit schlüpfrigem Verstand befand.
    „Wenn wir gemeinsam einer Zeremonie beiwohnen, wenn wir den Steckkontakt mit einem heiligen Schreier herstellen, dann können wir – in dieser kurzen kostbaren Zeit – die Stimmen der anderen Welt hören, die so lange geschwiegen hat. Wir können die Stimme eines jeden Schreiers hören, der sich uns mitteilen will, sogar wenn dieser Schreier tot ist.“
    Josiane! dachte Mantle und hätte ihren Namen fast laut gesagt. Einen Augenblick glaubte er tatsächlich, ihr Gesicht vor sich zu sehen. Es war ein so schönes Gesicht: kräftig und doch zart, von einem Heiligenschein aus lockigem, feinem Kinderhaar umgeben. Ich liebe dich, meine Schwester, bitte laß mich dich finden…
    Er dachte an Ellen; so pervers war er. Aber ihr flehendes Gesicht vermochte ihn nicht zurückzuhalten.
    „Manchmal kann ich, wenn ich allein bin, das Flüstern aus der anderen Welt hören“, sagte Pretre. „Manchmal höre ich die von uns gegangenen Schreier.“ Er stieß Mantle sanft in die Leistengegend und ließ, als er dessen Erektion fühlte, seine Hand dort ruhen. „Und ich vermute, daß Sie selbst eine Stimme oder zwei hören werden.“
     
     
    Die Zeremonie fand nicht auf der Plage du Dramont statt, die verteert und tot war, sondern bei der Ruine eines alten Wachtturms, der während der Regierungszeit von Königin Jeanne erbaut worden

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