Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)
Dialogen, wie sie in Wien um 1900 erfolgte, auf eine Weise, dass sie als Bindeglied zwischen dem Ansatz von C. P. Snow und Brockman auf der einen Seite und dem von Holton auf der anderen Seite dient? Man könnte erfolgreiche frühere Versuche untersuchen, Brücken zwischen Disziplinen zu schlagen, und prüfen, wie man sie verwirklicht hat. Wie lang dauerte der Weg dorthin? Wie befriedigend sind die Erfolge?
MAN KÖNNTE DURCHAUS SAGEN, DASS die gesamte Geschichte der Naturwissenschaft eine Aneinanderreihung von Versuchen ist, Wissen zu vereinen. Diese früheren Beispiele verraten uns, welche Faktoren solche Dialoge am ehesten begünstigen und wie groß die Chancen auf eine sinnvolle Zusammenführung sind.
Am ausgereiftesten ist eventuell das Bemühen, die großen Naturkräfte unter einem Dach zu vereinen: Physik, insbesondere Schwerkraft, Elektrizität, Magnetismus und, in jüngerer Zeit, Kernenergie. Diese bemerkenswerte und äußerst erfolgreiche Abfolge von Vereinigungsversuchen hat sich über drei Jahrhunderte erstreckt und ist immer noch nicht ganz abgeschlossen.
Die Gesetze der Schwerkraft beschrieb erstmals Isaac Newton 1687 in seinem Buch Philosophiae Naturalis Principia Mathematica . Newton erläuterte, dass Gravitation die Anziehungskraft ist, die den Fall eines Apfels erklärt sowie den Mond auf seiner Umlaufbahn um die Erde und die Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne hält. Im Jahre 1820 entdeckte der dänische Physiker Hans Christian Oersted, dass elektrischer Strom ein den Strom umgebendes Magnetfeld erzeugt. Etwas später im selben Jahrhundert ergänzten der englische Physiker Michael Faraday und der schottische Physiker James Clerk Maxwell Oersteds Erkenntnisse begrifflich durch ihre Entdeckung, dass Elektrizität wie auch Magnetismus eine gemeinsame Kraft, eine einzige Wechselwirkung widerspiegeln – den Elektromagnetismus.
1967 fanden Steven Weinberg, Sheldon Glashow und Abdus Salam unabhängig voneinander heraus, dass Elektromagnetismus und die schwache Kernkraft zwei Aspekte derselben elektroschwachen Kraft oder Wechselwirkung repräsentieren. Im selben Jahrzehnt entwickelten Howard Georgi und Glashow ihre sogenannte Große Vereinheitlichte Theorie ( Grand Unification), indem sie zeigten, dass sich die starken Kernkräfte mit den elektroschwachen Kräften kombinieren lassen. Trotz dieser großartigen Ergebnisse ist die Vereinigung der Kräfte in der Physik jedoch keineswegs abgeschlossen. Um dem Traum von einer finalen Theorie näherzukommen, wie Weinberg dieses kühne Ziel genannt hat, muss noch die Schwerkraft mit den beiden anderen Kräften vereinigt werden.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Physiker in zwei miteinander unvereinbaren Sprachen gesprochen. Ab 1905 sprachen sie die Einstein’sche Sprache der Relativität – diese versucht, das Universum anhand der riesigen Kräfte von Sternen und Galaxien sowie der Einheit von Raum und Zeit zu erklären. Zur gleichen Zeit sprachen Physiker die von Niels Bohr, Werner Heisenberg, Max Planck und Erwin Schrödinger geprägte Sprache der Quantenmechanik, die versucht, das Universum anhand der unvorstellbar kleinen Komponenten der Atomstruktur und subatomarer Teilchen zu erklären. Diese beiden Sprachen zu kombinieren, bleibt die große Aufgabe der Physik im 21. Jahrhundert. Der Physiker Brian Greene betont: »So, wie sie gegenwärtig formuliert sind, können allgemeine Relativitätstheorie und Quantenmechanik nicht beide richtig sein .« 224
Dennoch wissen wir, dass die Gesetze der allgemeinen Relativität und der Quantenmechanik von Natur aus miteinander verbunden sind. Ereignisse auf Planetenebene werden zwangsläufig von Ereignissen auf Quantenebene bestimmt. Die Summierung aller Quanteneffekte muss zu den von uns wahrgenommenen globalen Effekten führen. Und genauso werden auch unsere Wahrnehmungen, Emotionen und Gedanken von der Aktivität unseres Gehirns bestimmt. In beiden Fällen sehen wir ein, dass es eine aufwärtsgerichtete kausale Beziehung geben muss, doch das Wesen dieser Beziehung ist uns noch verborgen.
Eine finale Theorie der Physik würde, falls es sie je geben wird, dieses Dilemma auflösen und uns dabei tiefe Einblicke in die Natur des Universums verschaffen – einschließlich der kleinen und großen Zusammenhänge seiner Entstehung. Allein schon die Möglichkeit einer finalen Theorie eröffnet ehrgeizige Fragen für andere Wissenschaften und zur Verbindung von Natur- und Geisteswissenschaft: Lässt sich die
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