Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)
verschiedener Nervenzellen bedeckt ist, reagieren immer irgendwelche Neuronen – egal, wo Licht auf die Netzhaut trifft. Diese Entdeckung gab einen der frühesten Hinweise darauf, wie minutiös das Sehsystem darauf spezialisiert ist, auch kleinste Details der Umgebung aufzunehmen.
Abb. 15-13.
Ganglienzellen der Netzhaut reagieren optimal auf Kontraste in ihren rezeptiven Feldern. Ganglienzellen haben runde rezeptive Felder, mit spezialisierten Zentren und Umfeldern. On-Zentrum-Zellen werden erregt, wenn sie durch Licht in ihrem Zentrum gereizt werden, und gehemmt, wenn das Licht auf ihr Umfeld trifft; Off-Zentrum-Zellen reagieren genau umgekehrt. Die Abbildung zeigt die Reaktionen beider Zelltypen auf drei verschiedene Lichtreize (der gereizte Bereich des rezeptiven Feldes ist gelb markiert). Extrazelluläre Aufnahmen geben das Muster der Aktionspotenziale wieder, die die Zelle als Reaktion auf die einzelnen Reize feuert. Ein Balken über der jeweiligen Aufnahme gibt die Dauer der Beleuchtung an. (Nach Kuffler 1953)
A.
On-Zentrum-Zellen reagieren am stärksten, wenn der gesamte zentrale Bereich des rezeptiven Feldes durch einen Lichtpunkt gereizt wird. Diese Zellen reagieren auch gut, jedoch etwas schwächer, wenn nur ein Teil des Zentrums von einem Lichtpunkt gereizt wird. Die Beleuchtung des Umfelds durch einen Lichtpunkt reduziert oder unterdrückt das Feuern der Zelle, das für eine kurze Zeit nach Abschalten des Lichtes wieder stärker erfolgt. Die diffuse Beleuchtung des gesamten rezeptiven Feldes löst eine relativ schwache Reaktion hervor, weil Zentrum und Umfeld ihre Effekte gegenseitig hemmen.
B.
Das spontane Feuern der Off-Zentrum-Zellen wird unterdrückt, wenn der zentrale Bereich des rezeptiven Feldes beleuchtet wird, nimmt aber für kurze Zeit zu, nachdem der Reiz abgeschaltet wurde. Licht, das auf das Umfeld des rezeptiven Feldes fällt, erregt die Zelle.
Die Ganglienzellen der Netzhaut mit den kleinsten rezeptiven Feldern befinden sich im Zentrum der Netzhaut. Sie empfangen Informationen von den am dichtesten gedrängten Zapfen, die für die schärfste Sicht mit der genauesten visuellen Differenzierung zuständig sind – zum Beispiel beim Betrachten der Einzelheiten eines Gemäldes – und die die kleinsten Bestandteile der Außenwelt erkennen. Einige etwas abseits vom Zentrum der Netzhaut gelegene Ganglienzellen haben geringfügig größere rezeptive Felder, die die Informationen zahlreicher Zapfen kombinieren. Diese Zellen leiten den Prozess der Analyse der gröberen, ganzheitlichen Bildkomponenten ein. Kuffler stellte fest, dass die rezeptiven Felder der Ganglienzellen der Netzhaut immer größer werden, je weiter die Felder vom Zentrum der Netzhaut entfernt liegen. Dies erklärt die Unfähigkeit der peripheren Zellen, feine Einzelheiten zu verarbeiten, und führt zu den bereits erörterten verschwommenen Bildern.
Als Kuffler die Netzhaut systematisch untersuchte, indem er kleine Lichtstrahlen auf das rezeptive Feld verschiedener Ganglienzellen richtete, machte er eine dritte Entdeckung. Er stellte fest, dass es eigentlich zwei Typen von Ganglienzellen der Netzhaut gibt, dass sie sich gleichmäßig über die Netzhaut verteilen und dass sie sich in der Art ihrer Zentren und Umfelder unterscheiden. On-Zentrum-Neuronen werden erregt, wenn ein kleiner Lichtstrahl genau ins Zentrum des rezeptiven Feldes trifft, und sie werden gehemmt, wenn das Licht auf den Bereich um das Zentrum fällt. Off-Zentrum-Neuronen reagieren genau umgekehrt – sie werden gehemmt, wenn ein kleiner Lichtstrahl genau ins Zentrum des rezeptiven Feldes trifft, und sie werden erregt, wenn das Licht auf den Bereich um das Zentrum fällt (Abb. 15-13).
Die Entdeckung dieser Zentrum-Umfeld-Organisation bei den Ganglienzellen der Netzhaut offenbarte, dass das Sehsystem nur auf diejenigen Teile eines Bildes reagiert, in denen sich die Lichtintensität verändert. Tatsächlich zeigte Kufflers Arbeit, dass die äußere Erscheinung eines Objekts im Wesentlichen von dem Kontrast zwischen diesem Objekt und seinem Hintergrund abhängt und nicht von der Intensität der Lichtquelle.
Dies bescherte Kuffler eine weitere Erkenntnis über das Sehen: Ganglienzellen der Netzhaut reagieren nicht auf absolute Lichtstärken, sondern auf den Kontrast zwischen Hell und Dunkel. Ein breiter Lichtkegel oder diffuses Licht reizt Ganglienzellen der Netzhaut nur schwach, weil diffuses Licht sowohl die erregenden als auch die hemmenden Bereiche der
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