Das Zeitalter der Fuenf 01 Priester
flüsterte Rian, in dessen Augen jetzt frommer Eifer brannte. Plötzlich hallten Schritte durch die gewaltige Kuppel.
Dyara verdrehte die Augen. »Wenn sie hier sind, haben sie heute jedenfalls eine bescheidene Gestalt angenommen. Nein, wir werden unterbrochen, und es muss wichtig sein.« Sie blickte vielsagend über Rians Schulter. Einer nach dem anderen drehten sie sich um und sahen einen Hohepriester, der auf sie zugeeilt kam.
»Verzeiht die Störung«, stieß er hervor, als er das Podest erreichte. »Es sind soeben zwei Botschafter eingetroffen.«
»Aus welchem Land kommen sie?«, fragte Juran.
»Aus... aus Si.«
Die Siyee! Auraya sog scharf die Luft ein und hörte gleichzeitig einen leisen Laut der Überraschung von Dyara. Juran sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, bevor er sich von seinem Stuhl entfernte.
»Dann sollten wir sie besser gleich empfangen«, sagte er.
Sie verließen den Altar und eilten zum Rand der Kuppel hinüber. Draußen hatten sich hunderte von Priestern und Priesterinnen versammelt, die zum Himmel hinaufstarrten. Auraya folgte ihrem Blick, und ihr Herz machte einen Satz, als sie die winzigen Gestalten den Turm umkreisen sah.
»Sie wissen wahrscheinlich nicht, dass wir hier unten sind«, sagte Dyara. »Sollen wir sie oben auf dem Turm empfangen?«
Auraya lächelte. »Die Mühe kann ich euch ersparen.«
Dyara wandte sich mit undeutbarer Miene zu Auraya um. Juran kicherte.
»Die Absichten der Götter werden immer klarer«, murmelte er. »Geh, Auraya. Begrüße sie sozusagen in ihrem eigenen Element.«
Auraya konzentrierte sich. Sie zog Magie in sich hinein, schwang sich in die Luft und beschleunigte ihre Geschwindigkeit, bis die Mauer des Turms an ihr vorbeijagte. In den Fenstern erblickte sie zahlreiche Gesichter. Die Siyee bemerkten sie erst, als sie sie fast erreichte hatte. Erschrocken flogen sie davon.
Auraya verharrte in der Luft und sah zu, wie die Siyee in einiger Entfernung von ihr zu kreisen begannen. Aus der Nähe betrachtet konnte sie erkennen, dass alles, was man ihr je über die Siyee erzählt hatte, falsch war. Bis auf die Dinge, die Leiard ihr erzählt hatte, korrigierte sie sich.
Sie sahen aus wie Kinder. Aber es lag nicht nur an ihrer geringen Körpergröße, sondern auch daran, dass ihre Köpfe im Verhältnis zu ihrem Körper sehr groß wirkten. Ihre Oberkörper waren breit und ihre Arme drahtig und muskulös. Ihre Flügel waren nicht gefiedert, und sie waren auch nicht an ihrem Rücken verankert, wie die Legenden es erzählten. Ihre Arme waren ihre Flügel: Die Knochen ihrer Finger waren verlängert und bildeten das Rahmenwerk für eine durchscheinende Membran, die sich von den Fingerspitzen bis zum Torso erstreckte.
Die Armlöcher der Wämser, die sie trugen, reichten ihnen bis zur Hüfte hinab, um Platz für ihre Flügel zu schaffen. Eng anliegende Hosen, bedeckten den Unterkörper und waren mit dünnen Riemen an ihre Beine gebunden.
Als die beiden Siyee sich in vorsichtigen Kreisen näherten, konnte Auraya noch mehr Einzelheiten erkennen. Die letzten drei Finger einer jeden Hand bildeten die Flügel und ließen Daumen und Zeigefinger frei. Sie konnte nicht entscheiden, ob sie schön waren oder hässlich. Ihre kantigen Gesichter mit den großen Augen waren von außerordentlicher Eleganz, aber ihre mageren Körper und die federlosen Flügel wurden den Beschreibungen in Schriftrollen und Gemälden nicht gerecht. Dennoch umkreisten sie sie mit einer mühelosen Anmut, die sie ungemein faszinierte.
»Willkommen in Jarime, Botschafter der Siyee«, rief sie. »Ich bin Auraya von den Weißen.«
Die Siyee verständigten sich mit leisen Pfiffen und streuten hier und da mit hoher Stimme ein gesprochenes Wort ein. Auraya las ihre Gedanken und erkannte, dass dies ihre Art der Sprache war.
»Sie muss eine der Auserwählten der Götter sein«, sagte einer der Siyee.
»Das muss sie wohl«, erwiderte der andere. »Wie sonst könnte sie auf Luft stehen?«
»In ihrer Nachricht haben sie mit keinem Wort auf ihre Fähigkeit hingewiesen, zu... zu...«
»Dem Sog der Erde zu trotzen?«, ergänzte der andere.
Auraya konzentrierte sich auf die Gedanken der beiden und fand darin schließlich die Worte, die sie brauchte. Schwieriger war es, ihre Sprechweise nachzuahmen, aber als sie ihre Begrüßung wiederholte, kamen die beiden näher.
»Ich bin Tireel vom Stamm des Grünen Sees«, sagte einer der Siyee. »Mein Begleiter ist Zeeriz vom Stamm des Gegabelten Flusses. Wir
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