Das Zeitalter der Fuenf 01 Priester
»Auraya hat mir von den Netzerinnerungen erzählt. Sie sagt, du trügest viele Erinnerungen Mirars in dir.«
Aurayas Lächeln erlosch. Sie sah Leiard mit besorgter Miene an.
»Ja«, erwiderte Leiard. »Ich habe allerdings keine Ahnung, wo oder von wem ich sie aufgefangen habe. Es sind viele Jahre vergangen, seit ich das letzte Mal an einer Erinnerungsvernetzung teilgenommen habe.«
Juran nickte. »Wie weit reichen diese Erinnerungen in Richtung Gegenwart?«
»Es sind nur Bruchstücke«, antwortete Leiard wahrheitsgemäß. »Es ist schwer zu wissen, auf welche Zeit sie sich beziehen. Einige sind alt, wie man an dem noch frischen Zustand mancher markanter Bauwerke sieht. Manchmal lässt es sich unmöglich feststellen.«
Juran öffnete den Mund, als wolle er noch etwas sagen, dann schüttelte er den Kopf und wandte sich zu Auraya um. »Wir haben heute viel zu tun, und ich bin davon überzeugt, dass dein Ratgeber es sehr zu schätzen wüsste, wenn du dich für eine komfortablere Umgebung als das Turmdach entscheiden würdest, wo wir über euren Aufenthalt in Somrey sprechen können.«
»Dann sollten wir uns vielleicht in deinen Räumen treffen«, schlug sie vor. »Ich habe Handwerker in mein Quartier gebeten, die aus dem Fenster in meinem Zimmer eine Tür machen sollen. Es ist ein wenig... zugig.«
Juran zog die Augenbrauen hoch. »Also dann, mein Quartier.« Er sah Leiard an. »Wir sollten die Unterredung nicht länger hinauszögern.« Mit einer höflichen Geste bedeutete er Leiard, dass er an seiner Seite zurück zu der Tür des Treppenhauses gehen sollte.
Leiard folgte seinem Wink, verspürte dabei jedoch ein tiefes Unbehagen. Vertrau ihm nicht, flüsterte die andere Stimme in seinen Gedanken. Leiard holte tief Luft und tat sein Bestes, die Stimme zu ignorieren. Je früher er Jayim die Vernetzung lehrte und auf diese Weise regelmäßig seine eigene Identität bekräftigen konnte, umso besser.
Diesmal weckten die rituellen Worte, die Juran zu Beginn der Versammlung im Altar rezitierte, Dankbarkeit und ein Gefühl der Zugehörigkeit. Die beiden kurzen Sätze, die sie beizutragen hatte, kamen ihr mehr denn je von Herzen.
»Wir danken euch.«
Ihr Dank schloss nun auch die außerordentliche Gabe ein, die die Götter ihr geschenkt hatten. Juran hatte sie früh am Morgen auf das Dach gerufen, um festzustellen, ob auch er diese Fähigkeit würde meistern können. Obwohl sie es ihm so deutlich wie nur möglich erklärt und sogar ihr Wissen darüber in seine Gedanken gesandt hatte, konnte er es ihr nicht gleichtun.
»Vielleicht sollte ich mich einfach vom Turm stürzen«, hatte er einmal gemurmelt. Als er jedoch über das Geländer zu Boden geblickt hatte, hatte ihn ein Schaudern überlaufen. »Nein, ich denke, manche Risiken sind einfach zu groß. Es wäre keine angenehme Weise, herauszufinden, dass diese Gabe ausschließlich für dich bestimmt ist.« Was eine interessante Möglichkeit war. Würden auch die anderen ihre eigenen, einzigartigen Gaben empfangen? Vielleicht würden die Götter sich heute erklären …
»Leitet uns.«
Bei diesen Worten wanderten ihre Gedanken zu dem anderen Grund für ihre Versammlung hier, und ihre Stimmung verdüsterte sich. Sie wollten ihre Begegnung mit dem pentadrianischen Zauberer erörtern.
Nachdem das kurze Ritual vollzogen war, sah Juran die anderen Weißen mit ernster Miene an.
»Zwei schwarze Zauberer«, sagte er. »Beide Pentadrianer. Beide mächtig. Einer, der behauptet, Kuar zu sein, der Anführer ihres Kults. Wenn er ihr Anführer ist, warum ist er dann allein hergekommen? Warum ist der andere Pentadrianer gekommen? Stellen sie eine Gefahr für Nordithania dar?« Er hielt inne und sah sie der Reihe nach erwartungsvoll an.
»Die Antwort auf deine letzte Frage liegt auf der Hand«, sagte Dyara. »Dieser Mann namens Kuar hat Auraya in einer simplen Kraftprobe besiegt. Sie ist stärker als Rian und Mairae. Das bedeutet, dass er zumindest für drei von uns eine Gefahr darstellt. Der erste Pentadrianer hat uns gezeigt, wie gefährlich diese Leute für das Volk von Nordithania sein können.«
»Kuar hat keine gewöhnlichen Menschen getötet«, rief Juran ihr ins Gedächtnis. »Wir sollten nicht alle Pentadrianer nach den Taten des ersten Zauberers beurteilen, dem wir begegnet sind. Jener könnte seine Macht missbraucht haben, während seine Oberen ihn nicht unter ihrer Kontrolle hatten.«
Dyara nickte stirnrunzelnd. »Das ist wahr.«
»Wir können sicher sein, dass
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