Das Zeitalter der Fuenf 01 Priester
geflickte Türlasche des Tarns an und spähte hinaus. Dem Kunden zufolge, um den sie sich in der letzten Nacht gekümmert hatte, war die Armee ihnen nur einen Ritt von wenigen Stunden voraus. Als sie der Hoffnung Ausdruck verliehen hatte, dass sie die Soldaten bald einholen würden, hatte der Mann den Kopf geschüttelt. Die Armee reiste in schnellem Tempo, hatte er ihr erklärt. Sie würde den Pass vor dem Bordell erreichen. Außerdem wäre es ohnehin sicherer für sie, einen gewissen Abstand zu wahren. Wer konnte schließlich wissen, welche Gefahren in den Bergen lauerten?
Danach hatte er versucht, sie zu trösten und zu beruhigen. Er war der Typ Mann gewesen, der eine schwache Frau brauchte, um sich selbst stark und männlich zu fühlen. Er war kein Mensch, der sich in der Nähe tatkräftiger, fähiger Frauen wohlfühlte, daher war es am Morgen ein Leichtes gewesen, ihn loszuwerden, indem sie selbstbewusst durch das Zelt geschritten war und ihn in ein intelligentes Gespräch verstrickt hatte. Seine Frau tat ihr leid. Männer, die schwache, dumme Frauen brauchten, konnten sehr unangenehm sein, wenn sie den Eindruck gewannen, dass die natürliche Ordnung der Dinge durcheinandergebracht worden war.
»Was kannst du sehen, Jade?«
Sie blickte Stern an, dann zuckte sie die Achseln. »Felsen. Und Bäume. Und noch mehr Felsen. Oh, schau nur, da ist noch ein Baum«, fügte sie trocken hinzu.
Die Mädchen lächelten. Rozea hatte am vergangenen Abend erklärt, dass Stern nun hinreichend genesen sei, um mit den anderen zu reisen, obwohl Emerahl davon überzeugt war, dass die Entscheidung mehr mit dem Wunsch zu tun hatte, sich nicht noch einen Tag ihr unablässiges Geplapper anhören zu müssen. Emerahl hatte darauf bestanden, Stern zu begleiten, für den Fall, dass die Anstrengung doch zu viel für sie sein würde. Dies gab ihr zumindest die Möglichkeit, mit Brand und Flut zu reden.
Inzwischen hatten alle Mädchen ihr anscheinend verziehen, dass Rozea sie zu ihrer Favoritin gemacht hatte. Möglicherweise hatten sie begriffen, dass ihr Groll lächerlich war, aber Emerahl bezweifelte das. Sie vermutete, dass es die Heilung Sterns war, die hinter ihrem veränderten Verhalten steckte.
»Ich habe eine ausgesprochen erstaunliche Nacht hinter mir«, bemerkte Barmherzigkeit.
Brand, Flut und Vogel stöhnten. »Müssen wir das jetzt alles noch einmal durchkauen?«, jammerte Brand.
Barmherzigkeit deutete auf Stern. »Sie hat es noch nicht gehört.«
Brand seufzte. »Na schön, dann erzähl.«
Barmherzigkeits Augen leuchteten, als sie sich zu Stern vorbeugte. »Letzte Nacht ist ein Traumweber vorbeigekommen. Es war schon spät, und die meisten Mädchen haben ihn gar nicht bemerkt. Er sah nicht schlecht aus, daher habe ich mich gefreut, als er sich für mich entschied.« Sie hielt inne und grinste breit. »Wenn alle Traumweber im Bett so sind wie er, werde ich nie wieder einen verschmähen.«
Stern zog die Augenbrauen hoch. »So gut war er?«
»Oh, du würdest es mir nicht glauben, wenn ich es dir erzählte.«
Stern grinste. »Erzähl es trotzdem.«
Emerahl war so fasziniert, dass sie in Barmherzigkeits Gedanken nach einem Anflug von Betrug forschte. Sie konnte jedoch nicht mehr entdecken als Sehnsucht, Dankbarkeit und - vor allem - Selbstgefälligkeit.
Es war selten, kam aber bisweilen durchaus vor, dass ein Kunde sich nicht nur zum Schein bemühte, auch einer Hure Vergnügen zu bereiten. Während Barmherzigkeit weitersprach, stieg eine leichte Traurigkeit in Emerahl auf. Die Freuden dieser Nacht erinnerten sie an einige Nächte, die sie selbst erlebt hatte, vor langer Zeit und mit einem anderen Traumweber. Mit dem Traumweber. Lächelnd stellte sie sich vor, was die Mädchen sagen würden, wenn sie ihnen von dieser Affäre erzählte.
»Wann immer er sich in mein Zelt schleichen möchte, kann er die Nacht umsonst haben«, erzählte Barmherzigkeit ihnen.
»Man nennt sie schließlich nicht umsonst Barmherzigkeit«, sagte Brand und verdrehte die Augen.
»Wie hat er denn ausgesehen?«, fragte Stern.
»Groß. Mager. Zuerst dachte ich ja, er sei ein wenig knochig. Sehr helles, blondes Haar. Fast weiß. Er hatte einen Bart, aber den hat er sich am nächsten Tag abrasiert. Und er sah viel besser aus ohne ihn.«
Emerahl wandte ihren Geist von dem Geplapper des Mädchens ab. Die Gedanken an Mirar führten sie zurück zu den Plänen, die sie geschmiedet hatte: Sie wollte die Quelle des Turmtraums finden. Es schien ein kurioses
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