Das Zeitalter der Fuenf 02 Magier
bist, obwohl ich da einige Ideen hätte. Wie soll ich dich prüfen?«
»Komm durch die andere Höhle«, antwortete eine Frau.
Emerahl ging zum Eingang hinüber und hielt dort noch einmal inne.
»Keine Sorge, wir haben keine weiteren Prüfungen für dich vorbereitet.«
Trotzdem umgab sich Emerahl weiterhin mit einer starken Barriere, als sie in den Raum dahinter trat. Er war leer. Eine unregelmäßig geformte Treppe führte in die Höhe, und sie stieg langsam hinauf.
Sie gelangte in die Mitte einer weiteren großen Höhle. Der Boden war uneben, und hier und da waren Löcher zu sehen. An einigen der höheren Stellen lagen in bunten Farben gewobene Kissen. In die Wände waren Nischen gehauen, und dort stand eine Vielzahl von Gegenständen, die den Raum heimeliger wirken ließen, darunter Binsenkörbe, getöpferte Schalen und hölzerne Statuen. Sogar eine Vase mit Blumen war zu sehen.
»Willkommen, Emerahl. Oder ziehst du es vor, die Hexe genannt zu werden?«, sagte eine Frau hinter ihr.
Emerahl drehte sich um. In zwei Nischen an der hinteren Wand saßen ein Mann und eine Frau; beide hatten helles Haar, waren gutaussehend und schlicht gekleidet. Sie waren einander so ähnlich, dass sie miteinander verwandt sein mussten, was Emerahls Verdacht bezüglich ihrer Identität bestätigte.
»Ihr seid die Zwillinge«, sagte sie.
Der Mann grinste breit, während das Lächeln der Frau würdevoll und beinahe scheu war. An den Seiten ihrer Gesichter bildeten sich Lachfalten, was Emerahls Aufmerksamkeit auf die Narben lenkte, die sich über Gesicht, Hals und Schultern der beiden zogen.
Narben? Wenn sie Unsterbliche sind, hätten sie keine Narben haben dürfen.
Dann bemerkte sie, dass die Narben auf der linken Seite der Frau denen auf der rechten Seite des Mannes genau entsprachen, und plötzlich begriff Emerahl. Diese beiden Menschen waren früher einmal miteinander verbunden gewesen. Die Narben waren mit Absicht zurückgelassen worden, vielleicht als Erinnerung an ihre frühere Einheit.
»Das ist richtig«, erwiderte die Frau. »Ich bin Tamun.«
»Und ich bin Surim.«
»Sonne und Mond«, übersetzte Emerahl. »In der velianischen Sprache.«
»Ja. Unsere Eltern dachten, es würde uns vielleicht Glück bringen.«
»Hat es das?«
Die beiden tauschten einen Blick, dann zuckte Surim die Achseln. »Es stellte sich heraus, dass wir über unerwartet große Gaben verfügten. Einige Menschen würden das als Glück betrachten.«
»Mehr oder weniger«, pflichtete Tamun ihm mit einem schwachen Lächeln bei. Dann sah sie Emerahl an, und ihre Miene wurde wieder ernst. »Verzeihst du uns unsere kleine Prüfung? Es gibt einige Prüfungen, die nur ein Unsterblicher bestehen kann, und wir mussten sicher sein.«
Emerahl breitete die Hände aus. »Ich nehme an, ich hätte das Gleiche getan, wenn ich einen Verrat hätte fürchten müssen.«
Tamun nickte. »Wir haben im Laufe der Jahrhunderte von Zeit zu Zeit Berichte über dich gehört. Trotz unseres rüden Willkommens haben wir uns darauf gefreut, dich kennen zu lernen.«
»Mir ist es genauso ergangen«, erwiderte Emerahl. »Es ist seltsam, dass wir so lange gelebt haben und einander doch noch nie zuvor begegnet sind.«
Surim zuckte die Achseln. »Es ist nicht klug, mit seiner Unsterblichkeit zu prahlen, erst recht nicht in diesem Zeitalter. Wenn wir Unsterblichen alle einen bestimmten Wesenszug gemeinsam haben, dann ist es das Bedürfnis, uns abzusondern.«
Emerahl nickte. »Und doch habe ich den starken Drang empfunden, nach anderen Unsterblichen zu suchen.«
»Paradoxerweise ist es die wachsende Gefahr für unser Leben in diesem Zeitalter, die uns dazu treibt, zusammenzukommen«, bemerkte Tamun.
»Und einander zu unterstützen«, ergänzte Surim.
»Dann habt also auch ihr nach anderen Wilden gesucht?«, fragte Emerahl.
Tamun rümpfte die Nase. »Wilde. So nennen uns die Götter. Wir selbst haben uns früher Unsterbliche genannt, und das sollten wir auch jetzt tun.«
»Ja«, beantwortete Surim nun Emerahls Frage. »Wir haben nach anderen Unsterblichen gesucht.« Er stand auf und ging zu Emerahl hinüber. Dann ergriff er ihre Hände, lächelte herzlich und sah ihr in die Augen. »Wir sind zu lange von der Welt isoliert gewesen. Wir sehnen uns nach Gesellschaft.«
»Während der letzten hundert Jahre haben wir die Welt durch den Geist Sterblicher beobachtet, aber das ist nicht so befriedigend wie ein Leben unter ihnen«, pflichtete Tamun ihrem Bruder bei, bevor sie aufstand
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