Das Zeitalter der Fuenf 02 Magier
eilige Schritte. Eine wachsende Erregung durchdrang das Sanktuarium. Ferne Rufe waren zu hören, gedämpft durch Mauern oder Türen. Irgendwo erklang eine Glocke. Die Stimmen verließen die innersten Flure des Oberen Sanktuariums und bogen in den Hauptflur des Mittleren Sanktuariums ein. Reivan konnte einige Götterdiener vor sich sehen; sie strebten der Gruppe jener entgegen, die sich für die Ankündigung versammelt hatten.
Der Flur des Mittleren Sanktuariums endete auf einem großen Innenhof. Imenja und die anderen Stimmen schritten, gefolgt von den Gefährten, über den Hof und betraten eine luftige Halle. Eine Schar schwarzgewandeter Menschen füllte den Raum. Reivan erkannte die Gesichter vieler Ergebener Götterdiener. Sie fragte sich, wie lange sie hier schon gewartet haben mochten.
Das allgemeine Geplapper erstarb, und alle wandten sich den Stimmen zu, aber die Anführer der Pentadrianer blieben nicht stehen. Sie durchquerten die Halle und nahmen am oberen Ende der Haupttreppe Aufstellung. Als sie dort erschienen, wurden sie von tosendem Stimmengewirr begrüßt. Die Bewohner Glymmas und jene, die in die Stadt gereist waren, um die Wahl der neuen Ersten Stimme mitzuerleben, bildeten eine gewaltige Masse emporgewandter Gesichter und winkender Arme.
Die vier Stimmen standen nebeneinander. Reivan, die sich hinter ihnen befand, konnte ihre Gesichter nicht sehen. Sie schloss die Augen und ließ sich vom lauten Jubel der Menge umspülen.
»Meine lieben Freunde und Pentadrianer«, übertönte Imenja den Lärm.
Die Jubelrufe verstummten langsam. Reivan schaute an Imenja vorbei und sah viele unnatürlich leuchtende Augen in der Menge; etliche der Anwesenden hielten Flaschen und Becher in Händen. Sie kicherte leise in sich hinein.
Es war eine lange Wartezeit. Wahrscheinlich mussten sie sich irgendwie unterhalten.
»Liebe Freunde und Pentadrianer«, wiederholte Imenja. »Wir haben die Stimmen von Götterdienern aus allen Teilen der Welt eingeholt. Der Tag war lang, aber diese Aufgabe war zu wichtig, um sie zu überstürzen. Die abgegebenen Stimmen sind gezählt worden.« Sie hielt die beeindruckend lange Pergamentrolle hoch. »Wir haben eine neue Erste Stimme!«
Die Menge brach abermals in Jubel aus.
»Tretet vor, Ergebene Diener der Götter!«
Aus der Halle hinter ihnen kamen Männer und Frauen die Treppe herunter. Sie formierten sich zu einer langen Reihe am Fuß der Treppe und blickten zu den Stimmen empor.
Einer von ihnen hat die meisten der Götterdiener davon überzeugt, dass er oder sie einen guten Anführer abgeben wird, dachte Reivan. Sie führte sich all die historischen Berichte vor Augen, die sie gelesen hatte, all die philosophischen Erörterungen der Eigenschaften, die einen guten Anführer ausmachten. Verfügt einer dieser Kandidaten wirklich über die richtigen Eigenschaften? Was ist, wenn keiner die Anforderungen erfüllt? Würden die Götter dann eingreifen? Sie runzelte die Stirn. Das wäre ein Schlag ins Gesicht. Es würde andeuten, dass die meisten Götterdiener nicht wussten, nach welchen Kriterien man einen guten Anführer auswählte.
Und vielleicht wissen sie es wirklich nicht. Sie fühlte sich plötzlich unbehaglich. Wie hätten sie dann entschieden? Sie überlegte, was sie selbst getan hätte, wäre sie eine Götterdienerin gewesen, die weit entfernt von Glymma lebte. Wahrscheinlich hätte ich von Anfang an niemanden in Erwägung gezogen, der Ärger gestiftet oder große Fehler gemacht hat. Es würde helfen, wenn einer dieser Leute bereits bewiesen hätte, dass er zum Anführer taugt und gute Entscheidungen treffen kann. Ich glaube, ich würde jemanden vorziehen, der im Krieg gekämpft hat, aber unterm Strich wäre meine Entscheidung wohl ein Glücksspiel, basierend auf den Informationen, die ich hätte. Ich würde niemanden wählen, den ich nicht mag. Das würde niemand tun.
Der letzte der Ergebenen Diener nahm seinen Platz ein, und Imenja hielt abermals die Pergamentrolle hoch. Sie wartete, bis alle still waren - jedenfalls so still, wie man es von einer halb betrunkenen Menge erwarten konnte. Dann entrollte sie das Pergament.
»Die Diener der Götter haben den Ergebenen Nekaun zur neuen Ersten Stimme gewählt. Tritt vor, Nekaun.«
Als die Menge abermals in Jubel ausbrach, legte sich unwillkürlich ein Strahlen über Reivans Züge. Sie dachte an den Tag ihrer Weihe zurück, als dieser Mann sie nicht nur beglückwünscht, sondern ihr auch seinen Rat angeboten hatte.
Oh, gut,
Weitere Kostenlose Bücher