Das Zeitpendel
verwundert feststellen, daß sie sich mit aller Kraft dagegen wehrte.
Ihr kleiner Körper wand sich unter dem Griff des Arztes, und ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Da sie sich dem festen Griff Merricks nicht entwinden konnte, ließ sie sich plötzlich auf die Knie fallen und biß den Arzt in die Hand.
Für einen Moment war sie wie verwandelt. Aus dem braven Kind war eine kämpfende und schreiende Bestie geworden.
»Hör auf!« rief Tasker hilflos. Mit einem Blick sah er, daß Evana vor Schreck halb ohnmächtig von ihrem Stuhl zu rutschen drohte. Bevor er ihr helfen konnte, schrie Dr. Merrick in das Durcheinander:
»Halten Sie das Kind!«
Tasker sprang nach vorn und packte Tiffy mit aller Gewalt an der Schulter und am Kopf. Sie wand sich mit einer erstaunlichen Stärke, und ihr kindliches Gesicht verzerrte sich voller Wut, aber er konnte sie festhalten.
Dr. Merrick bemühte sich weiter unerbittlich darum, ihre Hände zu öffnen. Tiffy begann plötzlich zu schluchzen und gab jeden Widerstand auf. Ihr Kopf hing schlaff nach unten. Sie war nur noch ein müdes, kleines Mädchen.
»Ich habe mir das fast gedacht«, sagte Dr. Merrick ärgerlich und blickte Tasker vorwurfsvoll an. »Wer hat denn die Idee gehabt, mir zu verschweigen, daß sie so hart gegraben hat?«
»Aber das stimmt doch gar nicht«, sagte Tasker. »Wir hatten sie unter ständiger …«
Er brach ab und schluckte. »Tiffy, mein Liebling«, sagte er voller Mitgefühl. »Deine Hände.«
Es war ihm ein Rätsel, wie sie das vor Evana und ihm hatte verborgen halten können. Beide Handflächen waren mit Blasen und offenen Scheuerstellen übersät, daß ihm von dem Anblick fast schlecht wurde.
Während der Doktor die so übel in Mitleidenschaft gezogenen Hände verband, sagte er ruhig: »Ihre Reflexe waren zu langsam, obwohl sie so strahlend und frisch hereinkam. Ihre Nerven und Muskeln reagierten, als ob sie kurz vor einem Zusammenbruch stände. Dann habe ich noch zufällig ein kleines Stück ihrer rechten Handfläche gesehen. Ich möchte Ihre Frau bitten, mit der Kleinen im Nebenraum zu warten, denn ich habe mit Ihnen zu sprechen, Mr. Tasker.«
Nachdem die Tür hinter Mutter und Kind geschlossen war, sagte Tasker: »Ich verstehe das nicht. Wir haben sie ständig beobachtet.«
»Auch während der Nacht?«
»Aber das ist doch Unsinn«, sagte Tasker scharf. »Sie können doch nicht erwarten, daß sie sich in der Dunkelheit hinausschleicht, um …«
Plötzlich erkannte er den Zusammenhang. »Aber doch! Deswegen hat sie so viel geschlafen.«
Verwirrt stand er auf. Er konnte nichts sagen und hörte dem Doktor kaum zu, der etwas von einem Psychiater sagte, von traumatischen Erlebnissen und von neurotischen Zwangsvorstellungen.
Tasker wischte diese Worte zur Seite. Die Ratschläge des Arztes bedeuteten ihm nichts. Er fühlte sich wie am Rand eines Abgrunds, der sich unheilvoll auf tat. Evana hatte recht gehabt. Sie hatte die Wahrheit geahnt, die jedoch zu kompliziert sein mußte, als daß er sie verstehen konnte. Er sah ihre Angst vor dem Meteoriten jetzt in einem anderen Licht. Sie mußte ein feines Gespür für etwas haben, was ein normales menschliches Bewußtsein nicht erfassen konnte und selbst aber nicht menschlich sein konnte. Und er hatte immer geglaubt, er habe mit seiner Logik recht gehabt.
»In Ordnung, Doktor«, sagte er. »Ich werde Evana und Tiffy noch heute in die Stadt bringen.«
Er wollte dem Arzt klarmachen, daß er am Abend allein zur Farm zurückkehren würde, um … ja, warum? Ihn peinigten Zweifel. Was war da in der Ferse der Footprint-Farm in der Erde begraben? Was immer es auch sein mochte, es war seine Aufgabe, das herauszufinden. Jetzt war kein geeigneter Zeitpunkt, um mit anderen darüber zu diskutieren. Schließlich hatte es fünf Jahre gedauert, bis er gemerkt hatte, daß Evana in der ersten Woche auf der Footprint-Farm sich in ihren Empfindungen nicht getäuscht hatte. Er fühlte sich unaussprechlich beschämt durch diese einfache Tatsache.
Es war nach Mitternacht, als er, nachdem er Evana mit Tiffy in der Stadt abgesetzt hatte, die Farm erreichte. Er ging nach oben. Als er müde in sein Bett kroch, beseelte ihn nur ein Gedanke.
Morgen gehe ich hinaus und grabe!
Er erwachte benommen vom Klingeln des Telefons und dachte, die Farm möchte nicht, daß ich abhebe. Er fiel wieder in einen Dämmerschlaf, als er gerade noch mit seinen Gedanken erfaßte, wie phantastisch und unmöglich das war.
»Natürlich gehe ich
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