Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
zuckte die Schultern. »Sie sagten, es wird ein bisschen kalt, und wir müssen ein bisschen laufen?«
»Anderthalb Kilometer Luftlinie, aber wir müssen da rauf.« Er zeigte auf etwas hinter Dana. Sie drehte sich um. »Wir gehen in die Berge?«
»Berge sind das noch nicht. Aber wir müssen da rauf, ja.«
Sie sah auf ihre gefütterten Winterstiefel. »Na gut, los geht’s.«
»Und die feinen Herren?«
Die beiden trugen warme Jacken. Bens Schuhe schienen einiges zu vertragen, aber die von Cedric sahen eher nach einem Stadtspaziergang aus.
»Es geht«, versicherte er tapfer und sah gleichzeitig so aus, als würde er am liebsten in den nächsten Straßengraben kotzen.
»Sie können auch hier warten. Oder ein Stück die Straße runterfahren, bis sie was finden, wo sie sich reinsetzen und aufwärmen können.« Pete fühlte sich sichtlich unwohl in Cedrics Gegenwart, aber der junge Mann interessierte sich nicht dafür.
»Ich komme mit.«
»Ich pass schon auf ihn auf«, sagte Ben.
Pete warf einen letzten zweifelnden Blick in die Runde, dann nickte er und ging voran. »Sie folgen mir. Wir werden bestimmt eine Stunde unterwegs sein, das Gelände ist nicht das gängigste.«
Und dann zogen sie los. Es war das erste Mal für Dana, dass sie so etwas wie eine Wanderung unternahm. Und so weit weg war von Cafés, Funkmasten und Verkehrslärm. Sie wüsste nicht, wann es jemals so still in ihrem Leben gewesen war. Da sie am Ärmelkanal lebte, war das Meeresrauschen ein ständiger Begleiter. Aber hier in den Highlands – noch ein erstes Mal für sie – hörte man nichts, außer dem Knirschen des Schnees unter ihren Füßen.
Sie kamen gut voran. Cedric und Ben fielen manchmal etwas zurück, und einmal stürzte Cedric. Die Wege waren unter normalen Bedingungen schon schwierig: teilweise steil auf- oder abwärts, meist sehr schmal, durchweg uneben. Der Schnee machte es nicht besser, Cedrics handgenähte Lederschuhe waren schon jetzt komplett ruiniert, seine Füße vermutlich Eisklumpen. Aber sie schafften es. Am frühen Nachmittag, nach etwas über einer Stunde Fußweg, brach der Wald auf, und sie standen vor einem malerischen kleinen See mit zwei winzigen Inseln in der Mitte. Der See war zugefroren, und das Ufer war rundum abschüssig.
»Kein Ort für Touristen«, sagte Ben.
»Das ist der Grund«, sagte Pete.
»Wofür?«
»Dass wir hier sind.«
Dana sah Panik in Cedrics Augen. »Nein«, sagte sie schnell. »Sie müssen keine Angst haben. Ich habe Ihnen doch gesagt, wir gehen zu meiner Schwester. Pete, ist das die Stelle?«
Pete nickte. »Sie ist hier«, sagte er. »Unter dem Eis.« Er sah Dana direkt in die Augen. »Dana, es tut mir sehr, sehr leid.«
Sie nickte nur und sah auf die geschlossene Eisdecke.
»Mr Darney«, hörte sie Pete sagen. »Verzeihen Sie mir. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen.«
Als sie sich umdrehte, sah sie, wie Pete davoneilte. Ben wollte ihm folgen, aber Cedric hielt ihn zurück.
»Lassen Sie ihn.«
»Aber er hat Ihre …«
»Lassen Sie ihn.« Cedric ging auf Dana zu, nahm ihren Arm und drückte ihn leicht. »Kann ich etwas für Sie tun?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nur … bleiben. Bis ich …« Sie deutete auf den See und konnte ihn kaum noch erkennen. Alles vor ihren Augen war verschwommen. Sie zog einen Handschuh aus und wischte sich die Tränen weg. »Ich brauche Zeit.«
Dana zog den Reißverschluss ihres Daunenmantels auf. In der Innentasche steckte etwas, das dick mit Papier umwickelt war. Sie musste auch den zweiten Handschuh ausziehen, um es zu lösen. Darin lagen zwei junge rote Röschen, deren Dornen so klein und zart waren, dass sie wie Stecknadeln piekten. Sie ging vorsichtig ein Stück weiter, bis sie zu einer Stelle kam, an der es ziemlich flach zum See hinunterging. Schritt für Schritt arbeitete sie sich vorwärts, und als sie nahe genug am Ufer stand, warf sie die beiden Rosen auf das Eis.
PIPPA
Pete parkt den Wagen, und wir gehen zu Fuß weiter. Es ist schon stockdunkel, obwohl noch früher Abend ist, und Pete ist unsicher. Er sagt: »Ich habe eine Karte und einen Kompass und eine starke Taschenlampe, aber ich war noch nie vorher hier. Und vielleicht hat sie mir auch einfach nur Scheiße erzählt.«
»Wir gehen trotzdem weiter«, sage ich und leuchte mit seiner Taschenlampe den Weg.
Ich sagte heute Morgen zu Pete, dass Sean noch lebt. Ich sagte zu ihm: »Hör mir zu, ich weiß es. Er hat jemanden getötet, wir müssen etwas unternehmen.
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