Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
Pete und sah ihm dabei ohne Reue ins Gesicht. »Das Geräusch der Freiheit«, nannte sie es. Endlich frei von Sean, der ihr so zugesetzt hatte. Sie hatte ihm eine halbe Ewigkeit nachgeweint, und er hatte immer gesagt: Ich habe jetzt eine andere. Und dann kam er vorbei und wollte sich von ihr für seine Neue bezahlen lassen? Sie erpressen? Und jeder wusste: Wenn man sich einmal erpressen ließ, dann hörte es nie mehr auf. Dann ging es jahrelang so weiter.
»Sean war tot, und ich war in Sicherheit. Ich wusste nur nicht, was ich mit ihm machen sollte.« Sie rief ihren neuen Freund an, den Lord, und erzählte ihm in geschönter Form, was geschehen war. Der Lord kam zu ihr, und sie schafften Sean in der Dunkelheit ins Auto, fuhren mit ihm an einen abgelegenen Ort, an den sich so schnell niemand verirrte, schon gar nicht in der Nacht, wickelten ihn in Gartenfolie, verschnürten ihn, beschwerten ihn mit Gewichten und versenkten ihn im Wasser. Auf dass er nie wieder auftauchen würde. Auch dieses Geräusch, sagte Lillian zu Pete, würde sie niemals vergessen. Das Platschen der Leiche, als sie auf die Wasseroberfläche traf. Lillian lächelte, während sie davon erzählte. Das war der Moment, in dem Pete die Kontrolle verlor. Er packte sie und schlug sie mit dem Kopf gegen die Wand. Schrie sie an, sie solle aufhören zu lachen, aber sie hörte nicht auf. Bis er irgendwann merkte, dass sie längst tot war und er ihr Lachen immer noch hörte. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt gelacht hatte. Pete trug sie zu einem Sessel und setzte sie dorthinein. Dann verließ er das Haus und fuhr nach Hause.
Ich fragte ihn: »Woher wusstest du, wo sie war?«
Er sagte: »Von dir. Wir haben doch drüber gesprochen. Ich habe mir das Auto von meinem Nachbarn genommen und bin hingefahren. Er ist im Urlaub, ich habe seine Schlüssel.«
Ich sagte: »Pete, stimmt das? Wollte er sie erpressen, um Geld zu haben, damit er mir etwas bieten kann? Ich war doch zufrieden mit allem, wie kam er denn auf diesen Blödsinn?«
Pete zuckte die Schultern und sagte nichts. Ich wusste nicht, was wir tun sollten. Zur Polizei gehen? Vorher wollte ich wissen, wo Sean war. Ich fragte Pete, ob er mir die Stelle zeigen könnte.
Er sagte: »Das Wetter ist schlecht. Es ist gefährlich. Ein langer Weg mit dem Wagen, dann noch eine Wanderung. Es wird bald dunkel.«
Aber ich überredete ihn, und dann saßen wir im Auto und fuhren. Es dauerte schrecklich lange, und es schneite immer stärker. Ich stellte ihm Fragen über Sean, damit die Zeit verging. Ich fragte ihn auch nach Sachen, die ich längst wusste. Ich fragte ihn: »Bist du erleichtert zu wissen, was mit ihm geschehen ist?« Ich fragte ihn: »Fühlst du dich besser, weil die Frau tot ist, die seinen Tod zu verantworten hatte?« Ich hörte die Antworten nicht richtig. Ich vergaß sie auf der Stelle, weil ich für mich versuchte, Antworten zu finden.
Ich dachte die ganze Zeit: Er ist wegen mir gestorben. Er wollte mir etwas beweisen, und deshalb ist er gestorben. Ich habe alles versucht, um ihm klarzumachen, dass es mir nichts ausmacht, wenig Geld zu haben. Dass mir egal ist, was er arbeitet. Er hat mir nicht geglaubt. Wie konnte er auch. Ich bin immer nur die Oberschichtzicke gewesen, egal, wie sehr ich auch versucht habe, genau das Gegenteil meiner Schwester zu sein.
Er musste wegen mir sterben. Wie soll ich damit leben?
Pete parkte den Wagen, und wir gingen zu Fuß weiter. Es war schon stockdunkel, obwohl noch früher Abend war, und Pete war unsicher, er sagte, er hätte eine Karte und einen Kompass und eine starke Taschenlampe, aber er wäre noch nie zuvor hier gewesen, und vielleicht hätte Lillian ihm auch Scheiße erzählt. Wir gingen trotzdem weiter. Ich leuchtete mit der Taschenlampe den Weg. Wir verliefen uns ein paar Mal, aber nach zwei Stunden …
Wir kommen an.
Er sagt: »Ja, hier muss es sein. Hier haben sie Sean …«
»Begraben«, sage ich. »Lass es uns so nennen. Hier ist sein Grab.«
Wir stehen in der Dunkelheit nebeneinander und schweigen. Wir verabschieden uns von ihm. Jeder auf seine Art. Ich denke daran, dass unser letzter gemeinsamer Tag so schrecklich war.
»Sieh mal, der See ist schon zugefroren«, sagt Pete. »Hier oben ist es immer ein paar Grad kühler als in der Stadt. Und auf der Höhe sowieso.« Er scharrt mit dem Fuß im Schnee herum, dann hebt er einen Stein auf und wirft ihn auf den See. Tatsächlich bleibt der Stein liegen. Ich leuchte die Oberfläche ab,
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