Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
habe, enttäuscht zu werden. Bei Sean hatte ich diese Angst nicht, und er hat mich ganz offensichtlich enttäuscht, mehr als einmal. Meine Menschenkenntnis war noch nie besonders gut. In dem Punkt hat mein Vater recht.
Der Einzige, mit dem ich reden könnte, ist mein Bruder, aber seit er mit Sarah verheiratet ist, ist es auch anders geworden. Ich denke immer, sie ist eifersüchtig darauf, dass wir uns gut verstehen, und deshalb will sie nicht, dass wir zu viel miteinander reden.
Seans Freunde sind nicht meine Freunde, das ist spätestens jetzt klar. Sie glauben alle, er sei mit einer anderen Frau durchgebrannt. Ich glaube das immer weniger. Er hätte sich dann doch bei einem von ihnen gemeldet, und das hat er nicht. Er hätte Pete Bescheid gesagt. Das hat er auch nicht.
Auf meiner Mailbox sind wieder lauter Verrückte. Nachts rufen Männer an, die sagen, sie seien Sean und würden es mir gerne besorgen.
3.
»Würde es Ihnen sehr viel ausmachen, mir ein paar Schuhe zu bringen?«
Der Anruf kam, als Ben mit seinem Vater frühstückte. Cedric Darney saß auf der Polizeistation in Glenrothes. Man hatte ihn zunächst als Zeugen befragt und dann kriminaltechnisch untersucht. Mantel und Schuhe hatte er freiwillig abgegeben, weil darauf Blut war, die Handschuhe wurden ihm auch abgenommen. Ein Bluttest war angeordnet worden, aber Cedric war zunehmend unkooperativer geworden, hatte sich ungeschickt verhalten und war schließlich von einem entnervten Detective Inspector verhaftet worden. Der Staatsanwalt hatte fast einen Herzinfarkt bekommen aus Angst davor, wie die Presse wohl reagieren würde, wenn die Polizei ohne ausreichende Beweise Cedric Darney festnahm. Der Inspector fand, die Beweise seien erdrückend, der Staatsanwalt sah das anders.
Als Ben eintraf, war der DI immer noch genervt, aber er hatte sich die Lektion des Staatsanwalts zu Herzen genommen.
»Wir haben ihn in den Vernehmungsraum gesteckt. Er wollte allein sein und auf Sie warten. Wir hätten ihm ein Taxi gerufen. Oder ihn zum Bahnhof gebracht.«
»Verstehe«, sagte Ben. »Aber jetzt darf er gehen?«
Der DI nickte. »Ich musste mich auf Anweisung des Staatsanwalts sogar bei ihm entschuldigen. Hab ich gemacht. Scheint ihm egal zu sein.«
»Was ist mit seinem Wagen?«
»Muss noch untersucht werden. Kann dauern. Die Kriminaltechniker sind dauernd im Einsatz. Letzte Nacht gab es hier in Fife eine Einbruchsserie. Schreiben Sie da mal drüber.«
»Ich hab frei, danke. Die Kollegen machen das schon.«
»Heute ist die Hölle los. Alle Einsatzfahrzeuge sind da draußen, um Unfälle aufzunehmen. Nehmen Sie ihn mit, und sorgen Sie dafür, dass er so schnell nicht wieder hier auftaucht.« Er führte Ben durch die gespenstisch leere Station zu dem Vernehmungsraum, klopfte energisch an und rief: »Sir, Besuch!« Dann nickte er Ben zu und verschwand.
»Und Sie sind sicher, dass Sie keinen Anwalt wollen?« Ben reichte Cedric eine Einkaufstasche von Harvey Nichols. Darin waren Schuhe und ein Mantel.
Cedric sah in die Tasche. »Wo sind die Handschuhe?«
»Welche Handschuhe?«
»Sie haben meine Handschuhe vergessen?«
»Sie haben nur gesagt, ich soll Schuhe mitbringen.«
»Und dann habe ich Ihnen gesagt, dass sie mir auch Mantel und Handschuhe abgenommen haben.«
»Deshalb habe ich Ihnen auch einen Mantel mitgebracht.«
»Aber keine Handschuhe!« In Cedrics Augen lag Angst.
Ben war gleich bei Ladenöffnung in das Nobelkaufhaus gegangen, hatte in der Herrenabteilung mitgeteilt, dass er für Cedric Darney hier war, musste über sich ergehen lassen, dass er wie ein minderbemittelter Laufbursche behandelt wurde, hatte anschließend fast zwei Stunden bis Glenrothes gebraucht, und statt eines Dankeschöns wurde er nach Handschuhen gefragt. Aber er kannte den jungen Darney lange genug, um zu wissen, was los war.
»Na gut. Ich schau mal, wo ich noch welche bekomme.«
Cedric schüttelte den Kopf und sagte tapfer: »Nein. Sie haben schon genug für mich getan.«
Das personifizierte Elend, wie er da in dem leeren Vernehmungsraum stand und hilflos die neuen Schuhe in den Händen hielt.
»Hat man Ihnen nichts zu essen oder zu trinken angeboten?«
»Ich möchte nichts.«
»Wenigstens Wasser?«
»Ich möchte nichts.«
»Im Auto hab ich eine Flasche Wasser. Ohne Kohlensäure. Noch ganz neu.«
Jetzt lächelte Cedric fast.
»Was ist mit Ihrem Fahrer?«, fragte Ben. Oder dem Butler. Oder wer noch alles für ihn arbeitete.
Cedric setzte sich, die Schuhe immer noch in
Weitere Kostenlose Bücher