Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
Jetzt ist sie tot, und …«
»… und alles geht an ihren Sohn William. Ihr Tod bringt mir nichts. Im Gegenteil, ich wollte über ein paar Punkte mit ihr in Ruhe diskutieren. Sie wäre die Einzige gewesen, die zu meinen Gunsten etwas hätte ändern können. Das geht jetzt nicht mehr.«
Es wurde bereits dunkel, als sie die Polizeistation in Glenrothes verließen. Auf dem Weg nach Edinburgh erfuhr Ben von den Ereignissen der vergangenen Nacht. Er ließ Cedric erzählen, wartete mit seinen Fragen, bis er fertig war.
»Warum hat sie Sie angerufen?«
Cedric zuckte nur mit den Schultern.
»Blöde Frage. Woher sollten Sie das wissen.«
»Neben ihrem Telefon lag ein Zettel mit meiner Privatnummer. Darunter stand ›Sohn‹.«
»Sohn?«
»Mein Vater hat sich nie meinen Namen notiert. Er hat immer nur ›Sohn‹ geschrieben. Er mochte meinen Namen nicht. Ich wurde nach meinem Großvater benannt, seinem Vater. Die beiden haben sich nicht besonders gut verstanden. Wenn mein Vater ›Sohn‹ sagte, klang das meist eher abfällig. Ich vermute, Lillian hat diese schöne Tradition übernommen.«
»Haben Sie ihr diese Nummer gegeben? Ich meine, nicht mal ich … «
»Ja, sie hat sie von mir. Ich habe sie ihr nach meinem Einzug in Edinburgh gesagt – für den Notfall, sie hat sie auf einen Zettel gekritzelt, und ich bin mir sicher, es war genau dieser Zettel, der gestern Nacht neben dem Telefon lag.«
»Was ist eigentlich mit dem Kind? Wo ist es?«
»Das Jugendamt kümmert sich. Wo haben Sie dieses Wasser her?« Er hielt die Flasche hoch, die Ben ihm gegeben hatte.
»Aus meinem Kühlschrank. Es hat noch niemand davon getrunken. Hat Lillian keine näheren Verwandten, die sich um den Jungen kümmern? Sie muss doch Eltern haben.«
»Der Verschluss war schon mal offen«, sagte Cedric.
»Ja, ich hab ihn aufgedreht, weil ich sichergehen wollte, dass es stilles Wasser ist. Was ist mit Lillians Eltern?«
»Es steht drauf, dass es stilles Wasser ist.«
»Manchmal steht es drauf, und es hat ein bisschen Kohlensäure. Das weiß ich doch von Ihnen.«
»Diese Marke hat nie Kohlensäure.«
»Trinken Sie’s jetzt? Ich habe es nur auf- und gleich wieder zugedreht.«
Cedric drehte den Verschluss auf und zu, als imitierte er, was Ben gemacht hatte.
»Lillians Eltern sind geschieden. Der Vater ist zurück nach Schweden gegangen. Die Mutter lebte eine Weile in Newcastle, dann zog sie wieder ins Ausland, aber soweit ich weiß, hatten die beiden keinen Kontakt.«
»Vielleicht entdeckt sie ihre Mutterliebe, wenn sie hört, dass es etwas zu erben gibt.«
»Möglich.« Nach kurzem Zögern setzte Cedric hinzu: »Ich vertraue Ihnen, das wissen Sie, oder?«
»Das weiß ich erst, wenn Sie endlich von dem verdammten Wasser getrunken haben.«
Sie hatten die Forth Road Bridge erreicht. Ben fuhr Schritttempo, da es seit einigen Minuten wieder heftig schneite. Er konnte die Scheibenwischer so schnell einstellen, wie er wollte, er sah kaum etwas.
Cedric trank einen Schluck von dem Wasser, setzte die Flasche ab, trank dann wieder davon, immer nur in kleinen Schlucken.
»Und? Leben Sie noch?« Ben wollte einen Scherz machen, aber er kam nicht an. Schnell wechselte er das Thema. »Ich bin mir übrigens nicht sicher, ob Sie wirklich so ganz raus aus der Sache sind. Rache ist für die Polizei ein starkes Motiv, selbst, wenn Sie finanziell keine Vorteile durch Lillians Tod haben.«
»Absurd«, sagte Cedric. »Wenn ich mir schon die Mühe mache, jemanden zu töten, dann möchte ich doch auch etwas davon haben.«
Er trank die Flasche aus. Es war vier Uhr nachmittags. Ben schätzte, dass Cedric seit mindestens fünfzehn Stunden nichts mehr getrunken hatte. Jeder andere hätte nach fünfzehn Stunden ohne Wasser angefangen, Schnee zu essen. Cedric musste sich überwinden, aus dieser Plastikflasche zu trinken.
Sie krochen durch die im Schnee versinkende Stadt. Zwei Männer glitten in voller Sportmontur auf Skiern über den Bürgersteig. Ben stellte das Radio an. Die Sprecherin berichtete von Läden, die nicht beliefert werden konnten, von Schulen, die bis zum Ende der Woche geschlossen waren, von erschwerten Bedingungen in der Krankenversorgung. Sie warnte jeden davor, das Haus zu verlassen, wenn es nicht unbedingt nötig war. Außerhalb der Städte waren Menschen in ihren Häusern eingeschneit. Ben vermutete, dass damit gemeint war, dass sie ihre Autos nicht aus der Garage bekamen. Von geplatzten Wasserleitungen und defekten Heizungen war die
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