Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
hätte einen der schmalen Pfade hinunter an den Strand genommen. So stand sie da, bis die Sonne untergegangen war und sich ihre Füße trotz wärmender Fellschuhe wie Eisklötze anfühlten. Dann fuhr sie ohne weitere Umwege nach Hause.
»Da kommt man einmal früher von der Arbeit, und du bist nicht da«, begrüßte Simon sie. Er war in die Garage gekommen. Seinen Blick kannte sie: vermeintlich unauffälliges Überprüfen des Wagens auf Einkaufstaschen.
»Ich war in Cornwall«, sagte Dana. »Rame. An der Küste.«
»Bei dem Wetter?« Jetzt machte er einen langen Hals, um zu sehen, ob etwas auf dem Beifahrersitz stand. Oder auf dem Rücksitz. Er würde einen Vorwand suchen, den Kofferraum öffnen zu können.
»Vorher war ich im Waterfront. Es war so schön, einfach nur dazusitzen und rauszusehen … Ich dachte, du kommst nicht vor acht.«
»Wollte dich überraschen«, murmelte er. »Sag mal, sind meine Golfschuhe zufällig in deinem Kofferraum?«
»Was willst du jetzt mit deinen Golfschuhen?« Es machte ihr Spaß zu sehen, wie er sich wand, weil er nicht zugeben wollte, worum es ihm wirklich ging.
»Ich wollte aufräumen. Vergiss es. War nur ein Gedanke.«
Sie drückte die Fernbedienung für den Kofferraum. »Ich war nicht shoppen.«
»Oh! Nein!« Er hob abwehrend die Hände. »Das hab ich auch gar nicht … Wirklich. Ich wollte nur …«
»Es ist okay, Simon.« Sie ließ den Kofferraum offen und ging ins Haus. Kälte und Seeluft hatten sie hungrig gemacht. Sie sah in den Kühlschrank und fand nichts, was sich ohne Aufwand zubereiten ließ. Im Gefrierfach war eine Tiefkühlpizza, Simons Lieblingssünde, wenn er sich die Nächte mit Arbeit um die Ohren schlug. Er würde es überleben, wenn sie sie ihm wegaß.
»Dana, Schatz, ich dachte, wir essen zusammen?«, hörte sie seine Stimme, als sie die Pizza aus dem Karton nahm.
»Ich brauche jetzt was.«
»Aber … Ach nein, schon gut, ich mach mir ein Sandwich.« Nicht zum ersten Mal fragte sich Dana, wie es wohl war, eine normale Beziehung zu haben. Mit einem Menschen, der sagte, was er dachte und fühlte. Anders als Simon. Sie wusste nicht einmal, ob sie ihm einen Gefallen tat, wenn sie es über sich ergehen ließ, mit ihm zu schlafen, oder ob er dachte, er täte ihr einen Gefallen, weil er das vorgetäuschte Stöhnen für wahre Lust hielt. Sie schob die Pizza gerade in den Ofen, als das Telefon klingelte.
»Für dich«, sagte Simon und reichte ihr den Hörer. »Es ist Michael.«
»Was verschafft mir das seltene Vergnügen?«, sagte sie.
»Ich wollte … ist Pippa bei euch?«
Dana zögerte. »Pippa?«
»Ich hab schon bei euren Eltern angerufen. Und bei eurem Bruder. Aber da ist sie nicht.«
»Hat sie denn gesagt, dass sie herkommen will?«
Jetzt zögerte Michael. »Nein, sie … ist verschwunden. Bestimmt nur ein Missverständnis«, fügte er hastig hinzu. »Ich erreiche sie nicht. Das Handy ist ausgeschaltet, sie ist nicht in ihrer Werkstatt, bei niemandem, den wir kennen …«
»Und nur, weil sie ein paar Stunden nicht auffindbar ist, glaubst du, dass sie sich in ihre gute alte Heimat verzogen hat? Sie hasst es hier. Also, was ist wirklich los? Habt ihr euch gestritten?«
»Nein, das ist es nicht.«
Dana ging aus der Küche, um Simons weit aufgerissenen, neugierigen Augen zu entgehen, und machte es sich auf dem Wohnzimmersofa gemütlich. Der rote Perserkater sprang schnurrend auf ihren Schoß. »Sag mir die Wahrheit.«
Sie hörte Michael in den Hörer schnaufen. »Gestern … ist Pippa einfach weggefahren, ohne zu sagen wohin. Sie ist die ganze Nacht weggeblieben. Vorhin stand dann die Polizei vor der Tür, ich dachte erst, sie hätte einen Unfall gehabt … Ich meine, als sie wegging, lag noch kein Schnee, vielleicht ist sie vom Wetter überrascht worden. Ich hatte wirklich gehofft, sie fährt zu euch …«
»Sie fährt nie mit dem Auto zu uns. Das ist viel zu weit.« Ihre freie Hand kraulte den Kater, aber sie spürte, wie sich ihr Arm verspannte.
»Ich weiß. Ja. Sie waren auch gar nicht wegen eines Unfalls da. Sie wollten Pippa sprechen. Es stellte sich heraus, dass sie heute Morgen auf dem Polizeirevier gewesen war, um einen Mord anzuzeigen.«
Der Kater spürte ihre Anspannung und sprang mit einem beleidigten Maunzen von ihrem Schoß.
»Mord an wem?«, fragte Dana leise.
»Das hast du bestimmt in den Nachrichten gehört. Lillian Darney, die Witwe von diesem Medienmogul, der letztes Jahr ermordet wurde und davor schon eine Weile
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