Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
ich habe ihn letzte Woche zwei Mal dort gesehen. Ich bin mir ganz sicher. Er ist ein Fifer, oder?«
Sean spricht heute noch wie sein Vater. »Ja, aus St. Andrews.«
»So genau weiß ich es natürlich nicht, aber wir haben kurz gesprochen. Was man eben so sagt. Hey, du bist aber nicht aus Glasgow, habe ich gesagt, und er, nein, aus Fife. Er hat gesagt, er heißt Jim, aber ich kann mich auch verhört haben.«
Ich habe ihn gefunden!
Ich muss Pete anrufen.
4.
Dana Murray saß mit einer Freundin im Waterfront und sah aufs Wasser. Ihre Freundin redete, und Dana hörte kaum zu. Den Schneeflocken dabei zuzusehen, wie sie im Plymouth Sound ertranken, war spannender. Diese Freundin war die Art Frau, die nur jemanden brauchte, der hin und wieder mit dem Kopf nickte, wenn ihr Mann nicht zu Hause war und die Hausangestellten geschickt genug Vollbeschäftigung vortäuschten. Das letzte Mal, als Dana kurz zugehört hatte, war es um Strumpfhosen gegangen. Jetzt horchte sie wieder auf, merkte sich grob den Themenbereich musikalische Früherziehung (die Freundin hatte zwei Kinder, die sie so schnell wie möglich in ein Internat abgeschoben hatte, um mehr Zeit »für sich« zu haben), und blendete sich aus. Man hatte von hier aus einen wunderbaren Blick über den Sound, den Hoe Park mit dem hübschen rot-weißen Leuchtturm, Mount Batten, der eigentlich kein Berg war, sondern nur eine winzige Erhebung. Das Land lag unter einer weißen Decke, das Wasser war schiefergrau, der dicht fallende Schnee gab dem Ganzen etwas Surreales. Wenn sie sich etwas vorbeugte, konnte sie die Küste von Drake’s Island sehen, und auf der Terrasse eine Palme. Sie sah gar nicht so schlecht aus mit der Schneeschicht. Dana war schon lange nicht mehr hier gewesen. Überhaupt hatte sie schon ewig nicht mehr irgendwo einfach nur gesessen und aufs Wasser geschaut. Die Klinik, in der sie die Sommermonate verbracht hatte, lag in den Midlands, zu weit vom Meer entfernt.
Normalerweise wäre sie mit dieser Freundin shoppen gegangen. Oder sie wäre allein shoppen gegangen. Vor ihrer Therapie hatte sie es oft nicht gewagt, das Haus allein zu verlassen, und Simon war niemand, der sich einfach nur in ein Restaurant setzte, um aufs Wasser zu sehen. Sie hatte den Sommer verpasst, diesen und viele Sommer zuvor, und sie musste sich sehr anstrengen, um sich an die Bilder von leuchtendem Sonnenlicht zu erinnern, das auf dem blauen Wasser tanzte, während die Fähren aus Spanien und Frankreich träge vorbeiglitten, winkende Menschen auf den Decks.
Scheiße, sie hatte tatsächlich eine romantische Ader, wenn sie nicht aufpasste. Dana grinste spöttisch über sich selbst und klinkte sich wieder in den Vortrag ihrer Freundin ein.
Jetzt ging es um die Garnelenspießchen, die die beiden gegessen hatten, aber Dana hatte keine Ahnung, auf was die Freundin hinauswollte.
Diese Frau war eigentlich gar nicht ihre Freundin. Eine Bekannte vielmehr. Jemand, mit dem sie manchmal Zeit verbrachte. Weniger noch: eine Frau, mit der sie sich hin und wieder verabredete, um zur selben Zeit für eine Weile am selben Ort zu sein. Wenn sie ehrlich war, interessierte sie sich weder für sie, noch für ihr Leben. Sie wusste nicht einmal, wie ihre Kinder hießen. Und was der Ehemann von Beruf war. Sie hatte es mal gewusst und wieder vergessen. Sie kannten sich schon seit Jahren.
»Ah, mhm«, sagte sie nun in höherer Frequenz als zuvor, damit es etwas natürlicher wirkte, wenn sie ihrer Freundin/Bekannten bei einer Atempause das Wort abnahm.
»Ich fürchte, ich muss langsam aufbrechen«, sagte sie, als sich eine Lücke ergab. »Ich habe Simon versprochen, noch was für ihn zu erledigen.«
Sie wurde nicht gefragt, was das sein sollte.
Als sie im Wagen saß, fasste sie den Entschluss, an die Küste zu fahren. Der Sound reichte ihr nicht, hier schien alles zu beengt, sie brauchte einen weiten, offenen Blick auf das Wasser. Das Wetter war ihr egal. Sie programmierte ihr Navigationsgerät und war eine Stunde später in Rame, dem äußersten Südosten Cornwalls. Touristen hatte sie nicht zu befürchten, und die Heiratswütigen, die sich gerne am Strand der Halbinsel ins eheliche Unglück stürzten, bevorzugten ebenfalls den Sommer. Dana war allein. Sie stieg aus dem Wagen, ging vor bis an die steil abfallende Küste, zog den Schal fester, die Mütze tiefer und sah aufs Wasser. Es gab nichts Besseres, als aufs Wasser zu sehen.
Wäre es wärmer gewesen oder hätte es wenigstens nicht geschneit, sie
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