Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
Gesellschaft. Er traut außer sich selbst keinem was zu. Nicht mal Matt.«
»Aber Matt ver traut er wenigstens. Mich kontrolliert er ständig. Und dann bin ich ihm nicht gut genug für seine Tochter. Offenbar ist man nur was wert, wenn man seine Gene trägt. Sarah ist ihm auch nicht gut genug, aber sie hat wenigstens zwei männliche Enkel produziert.«
»Ich trage fünfzig Prozent seiner Gene, und ich bin ihm auch nicht gut genug«, sagte ich.
»Na ja, bei dir ist das was anderes.«
Ehrlich, ich war erstaunt. »Warum?«
»Du machst das doch alles absichtlich, um ihn zu provozieren.«
»Ich … was mache ich absichtlich?«
»Na ja, nicht studieren, ins Ausland gehen, mit einem Mann zusammenziehen, der nur ein einfacher Arbeiter ist … solche Sachen.«
»Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst«, sagte ich vorsichtig, auch wenn ich so eine Ahnung hatte.
»Dana sagt immer, du ärgerst euren Vater, damit er sich mehr um dich sorgt und dich deshalb ihr und deinem Bruder vorzieht.«
»Was ist das für eine verdrehte Logik? Ich lebe mein Leben, wie ich es will, obwohl es Vater nicht passt! Nicht weil! «
»Dana sagt immer«, wiederholte er, »dass er ihr und mir mehr Aufmerksamkeit schenken würde, wenn ich kein promovierter Jurist mit einem MBA wäre. Dann würde er sich mehr um sie kümmern.«
Es war so absurd, ich konnte nur noch lachen. »Gerade hast du dich noch beschwert, dass Vater dir zu wenig zutraut, und jetzt sagst du, du seist akademisch überqualifiziert, um seine Zuneigung zu bekommen?«
»Das sagt Dana. Und es ist auch was anderes. Es sind zwei unterschiedliche Dinge. In der Firma traut er mir nichts zu. Privat kümmert er sich nicht genug um Dana, weil er denkt, sie sei gut versorgt.«
»Niemand denkt, Dana sei gut versorgt, und sorry, aber das hat nichts mit dir zu tun.«
»Ihr wisst alle, dass sie Probleme hat, aber ihr kümmert euch nicht um sie, weil sie mich hat.«
»Äh – und was heißt das jetzt? Ihr trennt euch, damit Dana wieder bei Mum und Dad wohnen kann, wo man ihr morgens das Frühstück macht?«
»Nein, natürlich nicht. Nur …«
»Hör mal, Simon. Wenn es jemanden gibt, der meinem Vater so richtig egal ist, dann bin ich das. Ich bin mit nicht mal siebzehn ausgezogen und nach Deutschland gegangen. Meine Eltern haben ihr Einverständnis dafür schneller gegeben, als ich piep sagen konnte. Sie haben mich kein einziges Mal in Hamburg besucht. Dann war ich in New York, und auch da haben sie mich kein einziges Mal besucht. Für mich war es schon ein Übermaß an Fürsorge, wenn ich eine Geburtstagskarte von ihnen bekommen habe.«
»Sie haben immer nur über dich gesprochen«, sagte Simon.
Seine Worte ließen mich fast k.o. gehen. Ich merkte, wie sich Wasser in meinen Augen sammelte, und blinzelte es weg.
»Kein Tag, an dem die Rede nicht auf dich kam«, sagte er, als ich schwieg. »Du saßt immer mit am Tisch, warst bei jeder Familienfeier dabei. Es war, als wärst du nur mal kurz im Bad verschwunden. Dana hat das wahnsinnig gemacht.« Es klang nach Vorwurf, und ich wechselte das Thema. Zurück zu Danas Zustand, zurück zu Simons Funktion in der Firma.
Aber was er gesagt hat, nagt immer noch an mir. Dana war nie das Gefühl losgeworden, ich als ihre kleine Schwester hätte sie vom Prinzessinnenthron gestoßen. Und ich hatte immer geglaubt, ich sei das fünfte Rad am Wagen, vollkommen überflüssig, da sich die Welt, wenn nicht das Universum ausschließlich um Danas Bedürfnisse drehte. Aber verdammt, ging es nicht den meisten Geschwistern so? War das wirklich immer noch ein Thema in unserem Alter?
Das allein war es nicht, was mich umtrieb. Viel stärker nagte an mir der Vorwurf, ich hätte mein Leben so ausgerichtet, um Vater zu provozieren. Stimmte das? Wollte ich ihm etwas beweisen? Nur was? Dass ich ihn nicht brauchte? Dass ich nicht dazugehörte? Warum wollte ich das? Oder hatte ich von vornherein Angst gehabt, seinen Erwartungen nicht entsprechen zu können?
Simons – oder vielmehr Danas – Vorwurf war nicht ganz unbegründet. Dass ich nicht studieren wollte, hatte viel mit Teenagerrevolution zu tun gehabt. Und viele Entscheidungen habe ich getroffen, weil ich nicht so werden wollte, wie meine Eltern mich haben wollten.
Habe ich mir deshalb Sean ausgesucht?
Ich liebe ihn doch.
Nachtrag 2:
Termin mit der Organisation gemacht, die Angehörigen von Vermissten hilft. Sie sind auch sonntags erreichbar. Ich kann sofort vorbeikommen.
7.
In dem zivilen
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