Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
behältst das Haus doch«, sagte er. Er hat recht. Ich bin sowieso jedes Wochenende in seinem Haus, oft auch unter der Woche. Wir sind selten bei mir. Wir mussten nie darüber reden, aber es ist klar, dass meine Wohnung nicht der richtige Ort für unsere Beziehung ist. Ich habe schon überlegt, das ganze Haus zu verkaufen, aber dazu müsste ich erst einen guten Platz für eine neue Werkstatt finden. Ich muss das nicht heute entscheiden. Aber ich denke ständig darüber nach.
Am Wochenende habe ich alles zusammengepackt und bin zu Michael gefahren. Es fühlt sich noch ein bisschen seltsam an, als hätte ich einen bedeutsamen Schritt gemacht. Natürlich fühlt es sich auch gut an. Vielleicht vermiete ich die Wohnung. Michael findet, ich könnte mir langsam auch einen Mitarbeiter leisten und ihm die Wohnung vermieten. Warum nicht? Sie ist voll möbliert, die Lage ist gut …
Ich merke erst jetzt, wie froh ich bin, dort nicht mehr zu wohnen. Ich hätte viel früher dort ausziehen müssen.
Auszug aus Philippa Murrays Tagebuch
Freitag, 2. 12. 2005
Manchmal geht es schneller als gedacht: Es gibt einen Interessenten für die Werkstatt samt der Wohnung.
Ich habe leider noch nichts gefunden, wo ich hinkönnte, aber ich habe auch noch nicht sehr intensiv geschaut. Die meisten Sachen sind mir zu weit außerhalb. Was zentraler liegt, kann ich mir kaum leisten. Ich hoffe, ich finde schnell was, sonst springt mir am Ende noch der Interessent ab. Er will eine Galerie eröffnen. Als gäbe es nicht schon genug Galerien in Edinburgh, aber was geht mich das an.
Auszug aus Philippa Murrays Tagebuch
Montag, 5. 12. 2005
Das ganze Wochenende haben wir uns Immobilien angesehen. Keine einzige kommt in Frage. Ich hatte mir das leichter vorgestellt. Michael findet, ich müsste gar nicht zwingend so zentral sein, da es bei mir nicht um Laufkundschaft geht. Ich betreue meine Kunden ja nicht in meiner Werkstatt, sondern dort, wo sie ihre Instrumente haben. Aber ich will nicht in irgendeiner trostlosen Gegend sitzen, wenn ich meine Werkstatttage habe. Irgendwo, wo man nicht mal einen Kaffee bekommt. Außerdem hat Broughton eine gute Atmosphäre. Viele Künstler sind dort …
Ich träume nachts manchmal von Sean. Ich sehe ihn dann mit den beiden Männern von den Fotos, und im Traum weiß ich ganz genau, wer die beiden sind, aber sobald ich aufwache, ergibt nichts mehr Sinn.
Die Vorstellung, dass er die ganze Zeit nur auf mein Geld aus war … Jetzt sitzt er irgendwo mit seiner Beute im Wert von ein paar Millionen Pfund. Ob er sich damit ein schönes Leben macht? Was macht er mit den Anteilen für seine Partner? Wird er ihnen etwas übrig lassen, bis sie aus dem Gefängnis kommen? Wegen diesem Arschloch wäre ich fast erschossen worden. Kann ich das jetzt noch glauben? Wie dumm war ich die ganze Zeit. So naiv. Ich erinnere mich wieder an mein Telefonat mit Simon, als er mir sagte, ich sei nur mit Sean zusammen gewesen, um meinen Vater zu provozieren. Um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Stimmt das?!?
Auszug aus Philippa Murrays Tagebuch
Dienstag, 6. 12. 2005
Ich sehe ihn jeden Tag vor mir, jede Stunde, wie er hier hereinkommt und zu mir sagt: »Du bist echt das Dümmste, was mir je untergekommen ist.« Ich sehe ihn vor mir stehen und ausholen, und manchmal in meiner Phantasie schlägt er zu.
Es läuft nicht wie ein Film vor mir ab, eher ganz so, als wäre ich in Trance, und dann stehe ich da und muss wirklich überlegen, was Realität ist und was ein Streich meiner Nerven.
Ich höre es ihn sogar sagen.
Ich muss unbedingt eine neue Werkstatt finden.
Ich muss dieses Haus verkaufen.
Auszug aus Philippa Murrays Tagebuch
Mittwoch 7. 12. 2005
Aus der Notaufnahme zurück. Mein Unterarm musste genäht werden, und auch die Handinnenfläche. Ich habe die halbe Werkstatt vollgeblutet, es sieht aus, als hätte hier jemand ein Schwein geschlachtet.
Der Käufer ist abgesprungen, heute Morgen. Ich hatte mich gerade damit abgefunden, dass ich alles verkaufe und mir für die Suche nach einer neuen Werkstatt Zeit lasse, mich übergangsweise irgendwo einmiete … aber er ist abgesprungen. Ich war so müde und verzweifelt, weil ich die ganze Nacht nicht hatte schlafen können. Immer, wenn ich die Augen schloss, stand Sean vor mir und schrie mich an. Heute ist es genau zwei Jahre her, aber warum kommen diese Albträume erst so spät? Und warum mit einer solchen Gewalt? Warum auch tagsüber? Ich saß im Büro und starrte auf das Telefon, war enttäuscht
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