Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
und erschöpft, weil ich jetzt wieder jemand Neues suchen musste, und dann – sah ich Sean vor mir stehen, die Hand erhoben, den Mund weit aufgerissen, er schrie mich an, er schlug zu, und als ich wieder in der Realität ankam, kauerte ich auf dem Sofa und hielt schützend die Arme über meinem Kopf.
Ich konnte mich nicht daran erinnern, vom Bürostuhl aufgestanden und zum Sofa gegangen zu sein.
Mein Bein war eingeschlafen. Und die linke Schulter fühlte sich taub an. Mein Gesicht brannte. Was war passiert? Wie konnte ich einfach so zehn Minuten – oder länger? – vergessen? Ich rieb meine Schulter, bis ich wieder Gefühl darin hatte, trat fest mit dem Fuß auf, bis die Durchblutung zurück war. Dachte an Sean, wie sehr er mich noch beherrschte, sah die Tür mit der Glasscheibe, die ich damals erneuern musste, ballte eine Faust und zertrümmerte die Scheibe.
Ich brachte mich selbst ins Krankenhaus, was rückblickend keine gute Idee gewesen war. Ich werde die Autositze reinigen lassen müssen, und kurz bevor ich den Krankenhausparkplatz erreichte, wurde ich fast ohnmächtig, weil ich immer noch blutete.
Sie fragten mich, wie das passiert sei, und ich sagte, ich sei gestolpert und auf einen Glastisch gefallen. Sie glaubten mir kein Wort. Ich erwartete, jeden Moment von einer fürsorglichen Sozialarbeiterin in Empfang genommen zu werden, die mir einen Vortrag über häusliche Gewalt hielt, aber nichts in der Art passierte. Ich wurde genäht, dann rief ich Michael an, damit er mich abholte. Er war entsetzt, er dachte im ersten Moment, ich sei überfallen worden.
»Meine Schuld«, sagte ich, als wir zu ihm fuhren. (Ich kann noch nicht »zu uns« sagen, das ist viel zu früh.) Ich erzählte ihm, wie es dazu gekommen war. Er nickte, schien zu verstehen.
»Ich muss eine andere Tür einbauen. Am besten die ganze Werkstatt umbauen«, sagte ich.
»Du musst sie verkaufen, damit du da weg bist. Das ist ein Gebäude in einer guten Lage in Broughton«, sagte er. »Dafür einen Käufer zu finden, sollte nicht schwer sein.«
Es geht mir nicht gut. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache. Ich glaube irgendwie nicht, dass ich diese Werkstatt je wieder losbekomme …
Sie war mal die Erfüllung meiner Träume. Dachte ich.
15.
Eine halbe Stunde, nachdem der alte Mann gegangen war, saß Dana im Taxi und ließ sich zurück in die Wohnung ihrer Schwester bringen. Das Treppensteigen fiel ihr schwer, sie brauchte Ewigkeiten in den ersten Stock. Als sie endlich im Flur stand, war sie in Schweiß gebadet. Im Krankenhaus zu bleiben, war aber auch keine Lösung.
Es war nicht das erste Mal, dass sie sich fast umgebracht hätte. Nicht das erste Mal, dass sie im Krankenhaus aufwachte und ihr ein paar Stunden fehlten. Sie wunderte sich, dass ihr Körper immer noch mitmachte. Aber so, wie ihr Herz gerade raste, dauerte es vielleicht nicht mehr lange … Noch vor ein paar Stunden hatte sie sich umbringen wollen, und jetzt hatte sie Angst davor zu sterben? Sie überlegte, kam zu dem Schluss, dass sie selbst bestimmen wollte, wann es zu Ende ging. Sie allein. Heute war kein guter Tag zum Sterben. Das hatte sie verstanden. Sie hatte nämlich noch etwas vor: ihre Schwester finden.
Sich jetzt aus dem Leben zu verabschieden, wäre reine Feigheit. Dann wäre sie gegangen, ohne zu wissen, wer sie wirklich war, was sie wirklich wollte – und ob sie wirklich auf ganzer Linie gescheitert war. Sie musste erst mit Pippa abschließen. Mit ihr reden und ihr und sich klarmachen, was zwischen ihnen schiefgelaufen war. Sie musste mit ihren Eltern reden, ob diese nun zuhören wollten oder nicht. Mit Simon reden. Mit Matt. Mit Michael.
Aber zuerst mit Pippa. Ihre Schwester konnte nichts dafür, dass es so gekommen war. Sie hatte nicht absichtlich die Liebe aller auf sich gelenkt, weg von Dana. Sie konnte nichts dafür. Zeit, sich zu entschuldigen.
Dana fühlte zum ersten Mal seit Langem, wie sich Ruhe in ihr ausbreitete.
Sie kam gerade aus der Dusche, wo sie weggespült hatte, was von diesem verrückten Tag noch an ihr klebte, als sie hörte, wie jemand die Wohnungstür aufschloss und eintrat.
»Michael?«
»Ja! Dana, was machst du! Ich habe es eben erst erfahren, und weißt du wie? Weil mich dein Vater angerufen hat. Ich hätte nicht richtig auf dich aufgepasst, hat er gesagt! Hast du ihn als nächsten Verwandten im Notfall angegeben? Jedenfalls hat er so herumgetobt, dass ich auflegen musste. Ich hab dich im Krankenhaus gesucht. Sie
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