Das zerbrochene Siegel - Roman
begegnet!«
Zweifelnd hob der Burggraf die Brauen. Nach einer Weile meinte er: »Nehmen wir einen Lidschlag lang an, ich würde Euch glauben. Was geschah weiter?«
Bruder Kilian fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Als ich von dem Mord an Ulbert hörte, glaubte ich, dass Arnold von Clemante ihn ermordet hat. Ich fand heraus, wo Arnold Quartier genommen hatte, und machte mich auf den Weg zu ihm. Aber in der Herberge erfuhr ich, dass er die Stadt, ebenso wie Bruder Bartholomäus, verlassen hatte.«
Einer plötzlichen Eingebung folgend, meinte Bandolf: »Dann seid Ihr es gewesen, der versuchte, nachts ins Dormitorium
des Domstifts einzudringen? Ihr wusstet, dass Ulbert das Dokument seinem Vetter übergeben hatte, und hofftet, Bartholomäus hätte es dort bei seiner Habe zurückgelassen, als er Worms verließ.«
Heftig schüttelte Bruder Kilian den Kopf. »Ich tat nichts dergleichen. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass Ulbert das Dokument seinem Vetter gegeben hatte? Und wie wäre ich überhaupt ins Kapitelhaus der Dombrüder gekommen?«
»Wer immer dort eingedrungen ist, muss einen Schlüssel gehabt haben. Außer Bruder Wipert, der die Schlüsselgewalt im Domstift hat, besitzt in Abwesenheit des Bischofs nur noch sein Vogt die Schlüssel zu Dom und Stift. Und da Ihr in der Pfalz logiert, hättet Ihr wohl die Möglichkeit gehabt, den Schlüssel zu entwenden.«
»Wie jeder andere auch, der dort Quartier genommen hat«, protestierte der Mönch. »Von Bruder Bartholomäus erfuhr ich doch erst viel später. Bis dahin dachte ich, wie auch die Dombrüder, dass er die Stadt im Auftrag des Kämmerers verlassen hätte.«
Finster starrte Bandolf vor sich hin. Ich werde Hildrun das Maul mit Seife auswaschen, schwor er sich im Stillen.
»Was tatet Ihr dann?«, fragte er laut.
»Als die Nachricht von der Erkrankung des Königs in Worms eintraf, wusste ich nicht, was ich tun sollte«, meinte Bruder Kilian. »Es war ja offenkundig, dass Ihr versuchtet, Ulberts Mörder aufzuspüren. Also glaubte ich, es sei wohl am besten, mich an Eure Fersen zu heften. Ihr würdet den Mörder gewiss finden und mit ihm das Dokument. Und wäre es erst in Eurem Besitz, könnte ich es Euch abnehmen.«
Nun doch erheitert, lachte der Burggraf auf. »Und wie gedachtet Ihr das anzustellen?«
»Zur passenden Zeit wäre mir schon etwas eingefallen«, gab Bruder Kilian gekränkt zurück.
»Ihr habt Euch also an meine Fersen geheftet und zugleich meine Magd beschwatzt, mich auszuforschen«, konstatierte Bandolf. »Und was habt Ihr erfahren?«
»Nicht allzu viel«, meinte Kilian mit einem tiefen Seufzen. »Und darum suchte ich Euch schließlich selbst auf. Ich hoffte, bei einem Krug Wein und müßigem Geplauder würdet Ihr Euch womöglich als zugänglicher erweisen.«
»Bei allen Heiligen! Warum habt Ihr mich nicht einfach unterrichtet und offen gefragt?«
»Offen gefragt?«, wiederholte Bruder Kilian und starrte den Burggrafen ungläubig an. »Wie hätte ich das denn tun können?«
»Indem Ihr einfach das Maul aufmacht!«
»Aber ich …« Der Mönch schüttelte den Kopf. »Dergleichen kam nie in Frage.«
Natürlich nicht, dachte Bandolf grimmig. Niemand, der seinen Verstand beisammen hatte, würde bei Hof offen sagen, was er wollte.
Mit zusammengezogenen Brauen forschte er in Bruder Kilians jungenhaften Zügen. Eine Lüge konnte er nicht darin finden. Entweder hatte der Mönch die Wahrheit gesagt, oder aber er war ein besserer Pantomime, als Bandolf ihm zutraute. Was fange ich jetzt mit dir an?, überlegte er. Sein Magen rumpelte erneut, und er seufzte.
»Wie gehen wir nun weiter vor?«, erkundigte sich Bruder Kilian.
»Wir?«, wiederholte der Burggraf und starrte den Mönch gereizt an. »Wir tun überhaupt nichts. Ihr werdet in die Pfalz zurückkehren und die Füße still halten. Betet oder geht dem Kämmerer um den Bart, ganz wie Ihr wollt, aber lasst mich in Ruhe meine Arbeit tun.«
»Aber …«, protestierte der Mönch, verstummte jedoch unter Bandolfs Blick.
»Vergesst nicht, dass ich im Auftrag des Königs hier bin«,
wandte er schließlich ein. »Wenn Ihr herausfindet, wo sich Bruder Bartholomäus aufhält, dann muss ich das erfahren. Und falls Ihr des Schriftstücks habhaft werden könnt, müsst Ihr es mir umgehend übergeben.«
Vage zuckte Bandolf mit den Schultern und schickte sich mit einem »Gott mit Euch, Mönch« an zu gehen.
»Da ist noch etwas, Burggraf«, hielt Bruder Kilian ihn zurück. »Kurz bevor König
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