Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
Vom Netzwerk:
Serafina gestern danach gefragt hat, ist sie offenbar verschwunden. Ich hoffe nur, wir kommen nicht zu spät. Hätte ich nicht die Infirmarin in Verdacht gehabt …« Sie seufzte.
    »Kann Serafina die genaue Lage der Klause kennen?«
    Garsende schüttelte den Kopf. »Ich sagte doch, Bischof Burchards kleines Refugium geriet in Vergessenheit. Ein halbes Jahrhundert ist eine lange Zeit. Vielleicht gibt es in der Pfalz oder im Domstift noch Aufzeichnungen darüber. Als Schreiber hatte Bruder Bartholomäus doch gewiss Zugang zu derlei Dingen, also könnte er davon erfahren haben. Aber die Nonnen wissen nur, in welchem Teil des Waldes sie einst lag. Und ich selbst bin ja auch nur durch puren Zufall
darüber gestolpert.« Leise fügte sie hinzu: »Und auch Lothar von Kalborn kennt den Weg nur ungefähr.«
    Bandolf kniff die Augen zusammen. »Der Falke ist allein unterwegs, und Serafina wird nicht in der Nacht danach gesucht haben«, grübelte er laut. »Aber sie könnte früh aufgebrochen sein und mag den einen oder anderen Hörigen aus ihrem Gefolge danach ausgeschickt haben.«
    »Nach ihrem Gefolge habe ich nicht gefragt«, gestand Garsende. »Aber ich …« Sie verstummte abrupt, und Bandolf warf einen fragenden Blick über seine Schulter. Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Die Magd!«, sagte sie ohne jeden Zusammenhang. »Die Magd hatte ich völlig vergessen.«
    »Welche Magd?« wollte er wissen, doch Garsende blieb ihm die Antwort schuldig.
    Sie war stehengeblieben und schien zwischen Bäumen und Gebüsch, die den Pfad zur Rechten begrenzten, nach etwas zu suchen.
    »Da ist es«, raunte sie schließlich und bog einen der überhängenden Zweige beiseite, um darunter durchzuschlüpfen. Mit zusammengekniffenen Augen spähte Bandolf ihr nach. Dann pfiff er leise durch die Zähne. Hätte die Heilerin ihn nicht geführt, wäre ihm die kaum wahrnehmbare Öffnung zwischen Stämmen und Gestrüpp entgangen.
    »Gibt es noch einen anderen Zugang zur Klause?«, wollte er wissen.
    »Ja«, antwortete Garsende. »Wenn man dem Waldweg von Worms kommend nach Roxheim folgt, trifft man auf halbem Weg auf einen Pfad. Er begrenzt mein Eigen nach Süden hin. Von diesem zweigt einer ab, von dem aus dann mehrere Trampelpfade quer durch den Wald verlaufen. Einer davon führt an der Klause vorbei. Doch sie liegt hinter den Bäumen versteckt, und selbst, wenn man danach sucht, kann man sie leicht verfehlen.«

    Der enge Pfad, der sich durchs Unterholz schlängelte, war kaum mehr als die Ahnung eines Weges. Mochte er auch einstmals als Zugang gedient haben, war er jetzt an manchen Stellen so stark mit Gestrüpp überwuchert, dass er sich darin zu verlieren schien. Dennoch zögerte Garsende, die vorausging, kein einziges Mal, und fand seine Spur stets wieder, während Bandolf ihr dichtauf folgte. An ein rasches Vorankommen war jedoch nicht zu denken. Bandolfs Ungeduld und seine Sorge, sie könnten womöglich zu spät kommen, wuchs mit jedem Schritt.
    »Was hat es mit der Magd auf sich?«, fragte er unvermittelt.
    Garsende drehte sich nicht um, und ihre Stimme klang gedämpft, als sie antwortete: »Als Serafina ihren kleinen Unfall hatte und sich in Eure Arme warf, hatte ich zuvor eine Magd bei ihr gesehen. Zwar bin ich der Hörigen im Kloster nicht begegnet, aber sie muss ja doch bei ihrer Herrin gewesen sein. Und nun frage ich mich …« Sie verstummte.
    »Was fragst du dich?«
    »Ich weiß nicht recht«, kam es grübelnd. Und mehr hatte sie offenbar auch nicht dazu zu sagen.
    Nachdem sie sich eine Weile schweigend vorwärtsgekämpft hatten und nur das Knacken der Zweige und Tannenzapfen unter ihren Füßen zu hören war, begann es zu regnen. Sie hörten, wie die Tropfen fielen, doch der Wald war hier so dicht, dass kaum einer den Boden erreichte. Es war nur ein kurzer Schauer, der nicht vermochte, die Wolken am Himmel aufzulösen.
    »Warum glaubtest du, Lothar von Kalborn wolle dich töten, als er dich nach dem Weg zur Klause fragte?«, unterbrach Bandolf das Schweigen.
    Die Heilerin schüttelte den Kopf, und er dachte schon, sie habe seine Frage nicht gehört, als sie endlich antwortete:
»Ihr hattet ihn doch in Verdacht.« Und so leise, dass er sie kaum verstand, fügte sie hinzu: »Aber er wollte mich nicht töten.«
    Bandolf runzelte die Stirn. Eine merkwürdige Antwort, dachte er.
    »Ich frage mich, woher er von der Klause überhaupt wusste?«, grübelte er laut.
    Mit dem Finger an den Lippen wandte Garsende ihm ihr blasses

Weitere Kostenlose Bücher