Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
Vom Netzwerk:
Gesicht zu. »Wir sind gleich da«, wisperte sie.
    Tatsächlich schien der Pfad ein wenig breiter zu werden, und Bandolf hörte ein schwaches Plätschern, irgendwo zu seiner Linken. Kurz darauf öffnete sich der Weg zu einer kleinen Anhöhe. Am Fuß des Hügels rieselte Wasser durch eine Öffnung, das eine schmale Spur durch den Waldboden zog.
    Aufmerksam sah Bandolf sich um, doch eine Klause konnte er nicht entdecken. Garsende war seinem Blick gefolgt, und ein schwaches Lächeln glitt über ihre Züge. »Hinter dem Hügel«, flüsterte sie.
    Doch als sie sich anschickte vorauszugehen, griff der Burggraf rasch nach ihrem Arm und schüttelte den Kopf. »Du bleibst hinter mir«, raunte er, während er sich an ihr vorbeischob.
    Hüfthohes Gesträuch und dornenbewehrte Gewächse zerrten an Bandolfs Umhang und seinen Beinlingen. Garsende, die seiner Spur folgte, erging es kaum besser. Kleine Zweige, Kletten und Dornen hafteten an ihren Gewändern und in ihrem langem Zopf, als sie die Anhöhe erreichten.
    Unwillkürlich zog Bandolf die Heilerin mit sich in die Hocke, während er nach unten auf die verkohlten Überreste einer kleinen Kapelle und die halb verfallene Hütte daneben blickte. Garsende schien etwas sagen zu wollen, doch er schüttelte rasch den Kopf und bedeutete ihr zu schweigen.
    Von der Kapelle waren nicht viel mehr als zwei angesengte
Pfeiler übrig geblieben, die zwischen Gebüsch und Baumschösslingen in die Höhe ragten. Die Hütte hatte das Feuer überlebt, dem die Kapelle zum Opfer gefallen war. Nur eine Wand war schwärzlich verfärbt und ein kleiner Teil des Daches eingestürzt. Die niedrige Tür hing windschief in den Angeln und stand halb offen. Doch die übrigen Wände schienen unversehrt.
    Mit zusammengekniffenen Augen suchte Bandolf nach Spuren, die auf die Anwesenheit eines Menschen hindeuten mochten. Alles war still und keine Bewegung zu sehen. Nicht einmal der Rauch eines Feuers drang aus dem eingestürzten Teil des Dachs.
    Zweifelnd nagte Bandolf an seiner Unterlippe. Der Ort wirkte verlassen. Falls Bruder Bartholomäus hier tatsächlich Zuflucht gesucht hatte, schien er nicht mehr hier zu sein, und auch niemand, der nach ihm suchte. Oder wir kommen zu spät, und dort unten liegt nur noch Bartholomäus’ Leiche.
    Offenbar hatte Garsende ähnliche Gedanken. Sie erhob sich. »Wir sollten nachsehen«, sagte sie leise, während sie abwesend über ihr Gewand strich.
    Der Abhang war hier weniger bewachsen als auf der anderen Seite und der Abstieg leichter. Bemüht, so wenig Geräusche wie nur möglich zu verursachen, und Garsende hinter sich haltend, huschte Bandolf auf die Hütte zu. Noch immer rührte sich nichts.
    Nur wenige Schritte von der windschiefen Tür entfernt, drang plötzlich ein leises Stöhnen durch den Spalt.
    »Er ist verletzt«, rief Garsende.
    Ehe Bandolf sich’s versah, war sie an ihm vorbeigestürzt und zwängte sich durch die schmale Öffnung in die Hütte. Als er ihr einen Lidschlag später folgte, war es bereits zu spät.

KAPITEL 19
    E in schmaler Streifen Tageslicht drang durch das Loch im Dach am anderen Ende der Hütte und fiel auf ein Häuflein Mensch, das zusammengekrümmt auf dem Boden lag. Das musste Bruder Bartholomäus sein, doch ob er tot war oder noch atmete, konnte der Burggraf nicht erkennen. Garsende hatte ihn fast erreicht. Aus dem Augenwinkel nahm Bandolf eine Bewegung im Halbdunkel wahr. Er fuhr herum und sah eine schmale Gestalt wie einen Blitz auf Garsende zuspringen. Noch ehe der warnende Ruf seine Lippen verließ, hatte sie der Heilerin in die Kniekehlen getreten und ihren langen Zopf wie ein Seil um ihre Hand gewickelt.
    Garsendes Kopf wurde nach oben gerissen, während sie mit einem Schmerzensschrei auf die Knie fiel.
    Fluchend zog Bandolf blank und stürmte vorwärts.
    »Halt! Oder sie ist tot!«
    Am Zopf gezerrt, fuhr Garsendes Kopf mit einem Ruck nach hinten, und ein Aufblitzen von Metall an ihrer Kehle brachte Bandolf zum Stehen.
    Serafina lachte leise. »Ich hätte Euch für klüger gehalten, Burggraf«, bemerkte sie im Plauderton. »Eine Kräuterdrude mitzubringen anstelle Eurer Dienstleute.« Tadelnd schüttelte sie den Kopf.
    Das schummrige Licht ließ sie noch schöner erscheinen. Für einen Moment spürte Bandolf einen wehmütigen Stich in seinem Herzen, während sein Blick über ihren anmutigen Leib bis zum Gürtel ihres Gewandes glitt, in dem eine zusammengerollte Schriftrolle steckte.

    Serafina schien seinem Blick gefolgt zu sein.

Weitere Kostenlose Bücher