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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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der Kammer des Wirts, in der Strohlager für etwa ein Dutzend Gäste aufgeschüttet waren.
    »Die Slawen stürmen die Stadt!«, brüllte der Burggraf.
    Winands brauner Schopf verschwand unter der Decke, während Eberold mit offenem Mund hochfuhr. Er blinzelte den Burggrafen verschlafen an.

    »Was … was … soll der Lärm?«, stammelte er und tastete nach seinem Nachbarn. Die Mündigkeit des jungen Burschen lag sicher noch keine drei Jahre zurück, dennoch zeigten sich schon erste Spuren von Verlebtheit in seinem Gesicht. Auch Winand, der nun ebenfalls hinter seiner Decke auftauchte, machte kaum einen frischeren Eindruck. »Der Burggraf«, murmelte er.
    »Wie könnt Ihr es wagen, hier einfach einzudringen?«, fauchte Eberold.
    »Ich habe Fragen an Euch, die keinen Aufschub dulden«, erklärte Bandolf und starrte mit grimmigem Gesicht auf die beiden hinunter. Winand zog fröstelnd die Decke über seinen nackten Oberkörper und machte ein mürrisches Gesicht. »Was für Fragen?«
    »Ihr wart Freunde von Ulbert von Flonheim und habt Euch auch am Tag seines Todes mit ihm getroffen. Ich will wissen, was Ihr an diesem Tag bis zum nächsten Morgen gemacht habt, wann Ihr Euch mit Ulbert getroffen habt und wo Ihr gewesen seid.«
    »Hätte das nicht Zeit bis später?«, brauste Winand auf, der seinen Mut offenbar wiedergefunden hatte.
    Der Burggraf machte es sich auf einer wurmstichigen Truhe bequem. »Je eher Ihr mir sagt, was ich wissen will, umso schneller könnt Ihr Eure Nachtruhe wieder aufnehmen«, erklärte er freundlich.
     
    Nachdenklich verließ Bandolf das Wirtshaus. Was Eberold und Winand ihm erzählt hatten, ergab für ihn keinen Sinn.
    Die beiden hatten sich am Tag des Frühlingsfestes mit Ulbert zur Sext beim Wirt am Markt verabredet, doch Ulbert verspätete sich beträchtlich. Den Grund konnte sich Bandolf denken, denn Ulbert hatte vor dem Treffen beim Wirt am Markt noch seinen Vetter aufgesucht.
    Die drei Herren beschlossen, sich auf der kleinen Hahnwiese
vor der Stadt unters Volk zu mischen, wo an diesem Tag das Frühlingsfest gefeiert wurde, und verloren sich dort über kurz oder lang im Getümmel aus den Augen. Eberold sah Ulbert später noch einmal, als es bereits dämmerte und er mit einem jungen Weib an seiner Seite das Fest Richtung Fluss verließ.
    Die beiden schworen Stein und Bein, dass sie Ulbert hernach nicht mehr begegnet wären und das Fest zu sehr später Stunde gemeinsam verlassen hätten.
    Während der ganzen Zeit, die Eberold und Winand mit Ulbert zusammen gewesen waren, hatte er kein Wort über den Streit auf dem Marktplatz verloren. Besorgt hatte er nicht gewirkt - ganz im Gegenteil, er war offenbar in bester Stimmung gewesen.
    Die Herkunft des Kränzchens in Ulberts Tasche schien nun geklärt. Das mochte ihm das junge Weib geflochten haben, mit dem Ulbert im Wald verschwunden war.
    Aber warum tauchte er nach seinem Stelldichein mitten in der Nacht in der Münzergasse auf, anstatt sein Quartier aufzusuchen?, grübelte Bandolf.
    Die kleine Hahnwiese befand sich in der Nähe der Pfauenpforte, und der kürzeste Weg zurück zum Stift St. Andreas wäre durch die kleine Wollgasse über den Steinweg zur Sterzergasse gewesen. Was, zum Henker, hatte Ulbert dann zu nachtschlafender Zeit in eine ganz andere Richtung getrieben? War Bandolfs Haus tatsächlich sein Ziel gewesen? Was konnte Ulbert nur von ihm gewollt haben? Und wer hatte ihm aufgelauert, um ihn niederzustechen? Wer konnte überhaupt davon gewusst haben, dass er dort um diese Stunde sein würde? War ihm jemand von der Hahnwiese aus gefolgt?
    Wie Bandolf es auch drehte und wendete, das alles ergab keinen Sinn!
    Abgesehen von den Umständen seines Todes, schien sich
Ulbert in nichts von anderen jungen Männern seines Standes unterschieden zu haben. Vielleicht nicht übermäßig klug, tat er für sein Lehen doch, was er konnte, hatte sich nach dem Willen des Vaters vermählt und vergnügte sich mit seinen Kumpanen und willigen Weibern, sobald er in der Stadt war. Außer dem Streit auf dem Marktplatz schien sich in Ulberts Leben nichts Außergewöhnliches abgespielt zu haben. Und auch dieser Vorfall konnte einen durchaus banalen Hintergrund gehabt haben. Wenn sein Angreifer aus dem Italienischen stammte, mochte es ein verärgerter Kaufmann gewesen sein, den Ulbert übervorteilt hatte oder dem er etwas schuldete. Aber Kaufleute pflegten ihre Schuldner nicht umzubringen, sondern die Schulden einzuklagen.
    Unversehens hatte Bandolf sein Haus

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