Das zerbrochene Siegel - Roman
Grunde konnte er es dem Mann nicht verdenken, dass er sich um die Habe seiner Gattin gesorgt hatte.
Es hieß, manche Kuttenträger seien so gierig auf Glänzendes wie Elstern. Aber natürlich musste eine solche Unterstellung eine rechtschaffene Nonne verärgern.
Die Unmutsfalte auf Schwester Lukas’ Stirn vertiefte sich. »Dann schickte er sich an, seine Gattin zu wecken. Doch das wollte ich nicht zulassen. Es sei dringlich, dass er mit ihr sprechen könnte, meinte er. Ich blieb jedoch fest, und schließlich gab er nach. Er erklärte, er würde am nächsten Tag wiederkommen, um nach Beatrix zu sehen, und wünsche sie dann wach und munter anzutreffen.«
»Hat er sonst noch etwas gesagt?«
»Nun, er wollte wissen, wer der Wohltäter gewesen sei, der seine Gattin vor einem schmählichen Tod am Wegesrand bewahrt hätte. Es sei ja nicht mehr als recht und billig, dass er sich bei ihm bedanke.«
»Habt Ihr ihm Ulberts Namen genannt?«
»Natürlich. Warum auch nicht?«
Arnold erfuhr also den Namen des Wohltäters seiner Gattin, überlegte Bandolf. Was fing er damit an? Suchte er Ulbert in St. Andreas auf? Aber wenn dem so gewesen war, warum hatten weder Annalinde noch die Stiftsbrüder seinen Besuch erwähnt?
»Er kam also gestern wieder ins Kloster«, konstatierte Bandolf nach einer Weile.
»Nein, er kam nicht«, antwortete Schwester Lukas zu seiner Überraschung. »Bestimmt gab es ja Gründe für sein Fernbleiben, aber ein wenig merkwürdig war es schon.«
Das fand auch der Burggraf merkwürdig, und er beschloss, Beatrix’ Gatten aufzusuchen.
»Hat Arnold von Clemante erwähnt, wo er übernachten würde?«
Das wusste Schwester Lukas nicht, aber es konnte so schwer nicht sein, den Mann zu finden, denn zweifellos würde Arnold sein Quartier in der Stadt genommen haben.
Ein Knacken hinter seinem Rücken riss Bandolf aus seinen Gedanken, und er spähte über seine Schulter in die Obstbäume. Für einen Moment sah er dort etwas Silbriges hervorblitzen, doch es verschwand so schnell, dass er glaubte, sich getäuscht zu haben.
Schwester Lukas hatte offenbar nichts bemerkt. »Mehr weiß ich Euch nicht zu berichten«, sagte sie.
Mit einem gewinnenden Lächeln wandte Bandolf sich ihr zu: »Ich würde gerne selbst mit Beatrix sprechen«, meinte er, doch die junge Nonne schüttelte den Kopf.
»Das ist leider nicht möglich. Ihr Zustand hat sich wieder verschlechtert.« Sie seufzte tief. »Ich fürchte, es war meine Schuld. Nachdem ihr Gatte das Kloster verlassen hatte und Beatrix aus ihrem Schlummer erwachte, erzählte ich ihr, dass er gekommen sei, um sie zu besuchen. Ich glaubte, ihr eine Freude zu bereiten. Aber die Nachricht schien sie eher zu verstören, und sie sagte kein Wort mehr. Ich konnte auch nicht länger bei ihr bleiben. Es war Nachmittag und Zeit für die Non’, und ich verließ das Hospiz, um zur Messe zu gehen. Als ich später zurückkam, war es schon dunkel und ihre Bettstatt leer.« Betrübt schüttelte sie den Kopf. »Einer unserer Hörigen, der auf dem Feld arbeitete, hat sie dann kurz vor der Komplet am Wegrand liegend aufgefunden.«
»In Richtung Worms?«
»Nein, sie hatte den Weg nach Speyer eingeschlagen.«
»Eigenartig«, murmelte der Burggraf.
»Ihr müsst bedenken, die arme Frau war ja noch immer sehr geschwächt. Vermutlich hatte sie einfach nur die Orientierung verloren«, meinte Schwester Lukas. »Durch ihren übereilten Aufbruch zu ihrem Gatten hat sie sich nun aber ein schweres Lungenfieber zugezogen. Sie hustet Blut und ist kaum mehr ansprechbar. Wir befürchten, dass sie sich nicht wieder erholen wird.«
»Hat Beatrix nie davon gesprochen, wohin sie unterwegs war, als Ulbert von Flonheim sie aufgelesen hat?«
»Ihr Gatte sagte, sie hätte nach Speyer gewollt. Beatrix selbst hat nie ein Wort darüber verloren. Und wir haben sie auch nicht bedrängt.«
»Hmm«, brummte Bandolf unzufrieden. So sonderbar die Geschichte der kranken Beatrix auch war, schien sie mit dem Mord an Ulbert von Flonheim nicht das Geringste zu tun zu haben. Offenbar war der Edelmann um Beatrix’ Wohlergehen auch nicht mehr besorgt gewesen, nachdem er sie nach Mariamünster gebracht hatte.
»Dieses irische Kreuz, das sie getragen hatte«, fragte er nach einer Weile. »war das ein kostbares Schmuckstück?«
»Ich denke schon«, meinte Schwester Lukas. »Es war aus Silber, reich mit Ornamenten verziert, und die Mitte schmückte ein großer Mondstein.«
»Dann ist sie also nicht beraubt worden«,
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