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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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dieser Stadt habe ich den Blutbann inne«, erklärte er kalt. »Das berechtigt mich, Euch Fragen zu stellen, wenn es mir angebracht erscheint.«
    »Untersteht Ihr Euch, mir zu drohen?« Raouls Hand fuhr an das Schwert, das an seinem Gürtel hing, und für einen Augenblick sah es so aus, als wolle er dem Burggrafen mit der Klinge antworten. Ruhig hielt Bandolf seinem drohenden Blick stand, und langsam entfernte der Edelmann die Hand wieder von seinem Schwert.
    »Na schön, Burggraf«, lenkte er ein. »Worms liegt auf meinem Weg in den Norden. Ich traf am Tag der Vierzig Märtyrer in der Stadt ein und beabsichtige, noch einige Tage hier zu verweilen. Meine Leute werden sich in der Stadt nach Proviant für meine Weiterreise umtun. Derweil gedenke ich, einige meiner Freunde aufzusuchen.« Seine Lippen kräuselten sich. »Mit Eurer gütigen Erlaubnis«, fügte er hinzu.
    »Zählt Ihr Ulbert von Flonheim zu Euren Freunden?«, erkundigte sich Bandolf, den Spott geflissentlich ignorierend.
    »Nie gehört. Und jetzt tretet beiseite.«
    Der Burggraf rührte sich nicht. »Eine letzte Frage noch: Wo befandet Ihr Euch in der Nacht des Frühlingsfestes?«
    »In meiner Bettstatt, wo denn sonst.«
    Als Bandolf einen Schritt zurücktrat, um Raoul de Saint Rémy passieren zu lassen, unterdrückte er ein erleichtertes Seufzen. Männer von Raouls hochfahrender Art, die glaubten, ihr Stand berechtige sie, sich über das Amt des
Burggrafen hinwegzusetzen, waren ihm schon einige begegnet, und nicht immer war eine solche Begegnung glimpflich verlaufen. Nachdenklich sah er ihm hinterher. Stolz und Standesdünkel waren keine ausreichenden Gründe, jemanden des Mordes zu verdächtigen. Der Frage nachzugehen, warum ein burgundischer Graf seine Reise in Worms unterbrach und nicht im nahegelegenen Lorsch, um dem König seine Aufwartung zu machen, mochte sich jedoch lohnen.
     
    Gerüche nach abgehangenem Fleisch, Fisch und Geflügel, vermischt mit dem Duft nach Kräutern und Gewürzen und dem Gestank der Abfälle und Fäkalien, begleiteten Bandolfs Weg die Hohlgasse hinunter zum Marktplatz. Obwohl kein Markttag war, hatte der lange vermisste Sonnenschein die Menschen auf die Gassen gelockt, und sie erfüllten die Stadt mit Leben. Die Hütten der Handwerker, Eigenleute des Bischofs, säumten den Marktplatz, und aus den geöffneten Verschlägen drang der Lärm ihrer Stimmen und ihres Tagewerks.
    Der Schankraum des Marktwirts war um diese Zeit noch fast leer. Nur ein Grüppchen eifrig debattierender Pilger saß am Tisch beisammen, die von Bandolf kaum Notiz nahmen, als er sich an der langen Tafel niederließ. Über der Herdstelle hing ein Kessel, dem der Duft nach kräftig gewürzten Linsen und Speck entströmte, was dem Burggrafen ein erfreutes Lächeln entlockte. Kaum hatte er es sich bequem gemacht, stellte Oswin, der Wirt, auch schon unaufgefordert eine Schüssel mit Linsen und einen großzügig bemessenen Kanten Brot auf den Tisch.
    »Lasst’s Euch schmecken, Burggraf.«
    »Sobald du dein vierschrötiges Gesicht aus meiner Schüssel nimmst.«
    Der Wirt lachte und ging.

    Nach seiner Mahlzeit hatte sich Bandolfs Laune beträchtlich gehoben, und als Oswin seinen Becher ein zweites Mal mit verdünntem Bier füllte, erkundigte sich der Burggraf nach Ulberts Kumpanen.
    »Da müsst Ihr zur Non’ wiederkommen«, meinte der Wirt. »Um diese Zeit pflegen die Bürschchen noch ihren Rausch auszuschlafen.«
    »Soll das heißen, sie haben bei dir Quartier genommen?«
    Der Wirt nickte. »Winand ist auf dem Weg zum väterlichen Gut, doch hat er es offenbar nicht eilig damit. Und Eberold vom Bruch wollte nach Lorsch. Er behauptet, er werde dort erwartet. Doch fragt mich nicht, wann er das in die Tat umsetzen will.« Skeptisch verzog er das Gesicht. »Ich will nur hoffen, sie werden ihre Zeche am Ende begleichen.«
    »Wenn du Schwierigkeiten damit bekommst, dann sag es mir«, brummte Bandolf. Er stand auf und schüttelte die letzten Tropfen aus seinem Becher auf den strohbedeckten Boden, bevor er ihn in der Tasche seines Umhangs verstaute. »Und jetzt zeig mir den Weg nach oben.«
    Oswin protestierte halbherzig und gab zu bedenken, dass es sich immerhin um zwei Herren von Stand handle, die verärgert sein könnten, wenn man sie störte. Doch Bandolf verspürte nicht die geringste Lust darauf zu warten, dass die beiden Burschen wach und nüchtern genug wären, um seine Fragen zu beantworten.
    Wie erwartet, fand er Winand und Eberold friedlich schnarchend in

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