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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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neben seinem Schwert auch ein Dolch hing. Einen Augenblick lang verharrte seine Hand über der Dolchscheide, dann schloss er sie zur Faust und schüttelte den Kopf.
    Er würde sich später darum kümmern, ob ihm womöglich jemand in die Quere kam. Für den Augenblick hatte er etwas anderes zu tun.
    Gemächlich schlenderte er zur Münzerwerkstatt hinüber, die der Burggraf just verlassen hatte.
     
    Auch in Bandolfs Heim war die Nachricht von König Heinrichs Erkrankung eingetroffen und hatte auf dem Weg in seine Halle einiges an Ausschmückung erfahren.
    »Es heißt, der König sei vom Pferd gefallen und habe sich alle Knochen gebrochen«, berichtete Filiberta düster, während sie ihrer Herrin half, die Tafel für das Mittagsmahl zu decken.
    »Das ist doch gar nicht wahr«, rief die junge Hildrun. »Der König ist auf der Jagd von einem wilden Keiler angegriffen worden. Der hat ihn übel zugerichtet, bevor der König ihn erlegen konnte.« Ihre glänzenden Augen verrieten, dass ihr diese Vorstellung - ungeachtet dessen, wie unwahrscheinlich sie klang - weitaus besser gefiel.
    »Wer behauptet das?«, erkundigte sich Matthäa.
    »Die Magd vom Leinenweber hat es mir erzählt.«
    »Mumpitz«, erklärte Werno, drückte sein Kinn gewichtig nach unten und verkündete mit Grabesstimme: »Es ist die Seitenkrankheit.« Mit offenkundiger Befriedigung vermerkte
er die erschrockene Stille, die auf seine Worte folgte. Die Seitenkrankheit war ein übles Leiden, das mit Stechen im Gedärm und heftigen Krämpfen einherging und fast unweigerlich mit dem Tod endete.
    »Großer Gott«, hauchte Matthäa.
    Die beiden Mägde bekreuzigten sich.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Bandolf.
    Er hatte Herwald, seinen Marschalk, mit der Aufgabe betraut, die Wachen an den Stadttoren zu verstärken und die Waffen zu inspizieren, die im Turmhaus für den Fall eines Angriffs lagerten. Nun schob er sich auf die Bank hinter seiner Tafel. Hungrig schielte er nach der Schüssel mit Dinkelbrei, die Matthäa auf den Tisch stellte.
    »Ein Pilger hat es mir auf dem Marktplatz erzählt, und der kommt geradewegs aus Lorsch«, trumpfte Werno auf.
    »Das kommt davon, wenn man einem jungen Mann die Zügel schießen lässt«, erklärte Eltrudis streng, die, mit einer Nadelarbeit auf dem Schoß, dem Burggrafen gegen übersaß. »Ich ahnte längst, dass es mit dem König eines Tages ein schlimmes Ende nehmen würde. Bei all dem Sittenverfall, dem man heutzutage bei Hofe begegnet, wird das niemanden verwundern. Ich war stets der Meinung, dass …«
    Mit einem begehrlichen Blick auf das helle Brot und den Käse, die sich zu der großen Schüssel gesellt hatten, unterbrach sie der Burggraf: »Wir wollen dem Herrn für die Mahlzeit danken.«
    Kaum hatte Bandolf das Mittagsgebet in seinen Bart gemurmelt und das Brot gebrochen, als Matthäa ein leises Seufzen ausstieß: »Für Kaiserin Agnes muss es schrecklich sein, wenn sie erfährt, wie schlecht es um ihren einzigen Sohn steht.«
    »Sie hat es doch vorgezogen, sich in ein Kloster zurückzuziehen, anstatt König Heinrich zu unterstützen, wie es
sich gehört hätte«, meinte Eltrudis mit bebenden Nasenflügeln, die deutlich zeigten, was sie von solcher Pflichtvergessenheit hielt. Sie hob die Brauen und fügte hinzu: »Doch glaubt mir, meine Liebe, falls der König stürbe, würde es Adelheid von Turin noch bitterer treffen als die Kaiserin.«
    »Wie könnt Ihr so etwas nur behaupten?«, rief Matthäa mit erstickter Stimme. »Wen könnte der Tod des Sohnes schwerer treffen als die Mutter?«
    Bandolf warf der Tante seiner Gattin einen zornigen Blick zu. Musste sie unbedingt in der Wunde herumstochern, die der Tod seines ungeborenen Kindes in seinem und Matthäas Leben hinterlassen hatte?
    Eltrudis war sich ihres Missgriffs offenkundig nicht bewusst. »Ihr sprecht von Dingen, die Ihr nicht versteht, mein Kind«, wies sie Matthäa zurecht. »Es ist kein Geheimnis, dass König Heinrich sich eine andere Braut als Adelheids Tochter wünscht. Man sagt, er habe Mathilde von Tuskien im Auge, obwohl sie ihm um ein paar Jahre voraus ist.«
    »Aber ist Mathilde nicht ihrem Stiefbruder Gottfried von Lothringen versprochen?« Matthäa hatte sich augenscheinlich wieder gefangen.
    »Herrje, der Bucklige!«, quiekte Hildrun. »Da möcht ich doch an Mathildes Stelle auch lieber den König nehmen.«
    »Pah!«, schnaubte Filiberta. »Als würde der dich haben wollen.«
    Die junge Magd schleuderte ihren blonden Zopf in den Nacken und

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