Das zerbrochene Siegel - Roman
wiederholte er.
Prosperius, der dem Mönch ebenfalls hinterhergeschaut hatte, warf dem Burggrafen einen verständnislosen Blick zu.
»Der Wirt sagte, Arnold von Clemante sei Römer?«, half ihm Bandolf auf die Sprünge.
»Nun, so nannte er ihn jedenfalls.«
»Und wie sah der Mann aus?«
»Woher soll ich das wissen, Herr?«, fragte Prosperius erstaunt. »Ich habe Arnold von Clemante doch noch nie gesehen.«
»Hat der Wirt sonst noch etwas über den Mann gesagt?«, wollte Bandolf wissen.
Prosperius grinste. »Er sagte, der Mann vertrüge seinen Wein nicht. Nach dem ersten Becher sei er in der Laune, sich mit jedermann anzulegen, um dann nach dem zweiten Becher über sein Elend zu jammern.«
Bandolf strich gedankenverloren über seinen Bart. Ob aus Rom, Kalabrien, Tuskien oder von noch weiter südlich - die meisten Männer aus Italien waren von eher kleinem Wuchs und dunkelhäutig. Ob Arnold womöglich der Mann gewesen
war, der Ulbert von Flonheim auf dem Marktplatz angegriffen hatte? Die Frage war nur, warum er das hätte tun sollen. Immerhin hatte Ulbert Arnolds Weib aufgelesen und dafür gesorgt, dass die kranke Beatrix in gute Obhut kam. Sei’s drum, Arnold sollte ihm selbst Rede und Antwort stehen.
»Du musst noch einmal zum ›Rostigen Kübel‹«, befahl er Prosperius, der das Mienenspiel seines Herrn mit offenkundiger Neugier beobachtete. »Lass Dir vom Wirt beschreiben, wie Arnold von Clemante aussieht. Versuche in Erfahrung zu bringen, wohin der Mann wollte, wo er hergekommen ist, ob er ein Lehen besitzt, ein Haus, eine Hufe. Falls es im ›Rostigen Kübel‹ niemand weiß, dann erkundige dich bei den Wachen an den Stadttoren, ob ihnen ein Mann aufgefallen ist, auf den die Beschreibung des Wirts zutrifft. Vielleicht kannst du herausfinden, durch welches Tor er Worms verlassen hat und in welche Richtung er geritten ist. Außerdem will ich alles wissen, was er getan hat, mit wem er gesprochen und mit wem er sich getroffen hat, solange er sich in Worms aufhielt.«
»Gleich, Herr?«, erkundigte sich Prosperius eifrig.
Bandolf nickte. Sein junger Schreiber schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, bevor er sich umdrehte und die Hachgengasse hinunterlief. Abwesend blieb der Burggraf für einen Moment stehen. Es gab noch jemanden, den er nach Beatrix’ Gatten fragen konnte. Auch Lothar von Kalborn mochte wissen, ob es sich bei Arnold um denselben Mann handelte, der Ulbert auf dem Marktplatz angegriffen hatte. Es war ohnehin höchste Zeit, dass er mit diesem Edelmann ein Wörtchen wechselte. Und womöglich würde sich in der Pfalz auch die eine oder andere Gelegenheit ergeben, mehr über den maulfaulen Raoul de Saint Rémy zu erfahren.
Erst als der Burggraf den Pfalzhof überquerte und der Bischofspfalz zustrebte, erregte der ungewöhnlich willfährige
Eifer, mit dem Prosperius seinem Befehl nachgekommen war, seinen Verdacht, und er fragte sich, ob sein junger Schreiber irgendetwas im Schilde führte.
Als der Burggraf die Aula Minor der Bischofspfalz betrat, um nach Lothar von Kalborn zu fragen, spürte er sofort, dass etwas vorgefallen sein musste. Wie immer bevölkerten Heimische, Fremde, Edelleute, Geistliche, Bauern, Hörige und Pilger die Kleine Halle, um ihre Anliegen dem Bischof vorzutragen. Stets war die Aula Minor mit lautem Stimmengewirr erfüllt. Heute jedoch waren die Stimmen in der Kleinen Halle gedämpft, man tuschelte hinter vorgehaltener Hand, und die Gesichter wirkten betreten.
In absentia Seiner Eminenz und in Ermangelung eines Dompropstes stritten sich der Kämmerer Pothinus und der Vogt des Bischofs darum, sich der Bittsteller anzunehmen. Heute hatte offenbar der Vogt das Sagen. Er empfing den Burggrafen in einer kleinen Kammer, die der Bischof gewöhnlich dazu benutzte, Bittsteller zu empfangen.
»Was ist passiert?«, platzte Bandolf heraus, kaum dass er die Kammer betreten hatte. »Wieso stehen die Leute in der Halle mit Trauermienen herum, als ging’s zu einem Begräbnis?«
Die Stirn in sorgenvolle Falten gelegt, berichtete der Vogt, dass vor knapp einer Hore eine Pilgergruppe im Domstift eingetroffen war. Sie erzählten, der König sei schwer erkrankt und ringe in der Abtei des heiligen Nazarius mit dem Tod.
»Zum Teufel auch!«, entfuhr es Bandolf. Hastig bekreuzigte er sich. Das war zweifellos eine schlimme Nachricht. »Seid Ihr sicher, dass die Nachricht stimmt?«
Der Vogt nickte betrübt. »Ich habe keine Veranlassung, an den Worten der Pilger zu zweifeln, und sicher
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