Das zerbrochene Siegel - Roman
eine Erklärung für die nebulösen Worte noch für das eigentümliche Verhalten des Mönchs vor seinem Haus.
»Ich hätte erwartet, Ihr würdet den Gefühlen Eures Weibes gegenüber größere Rücksichtnahme walten lassen«, unterbrach Eltrudis’ vorwurfsvolle Stimme seine Grübelei.
Bandolf warf Matthäa einen fragenden Blick zu, den sie mit einem unmerklichen Schulterzucken beantwortete.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Ihr sprecht.«
»Es wirft ein schlechtes Licht auf jede Hausherrin, wenn man einen Gast so rasch vertreibt, wie Ihr das tatet«, meinte Eltrudis. »Zumindest hättet Ihr dem Mönch anbieten müssen, das Nachtmahl mit uns einzunehmen. Gewiss hätte er es zu schätzen gewusst, ein paar Worte mit jemandem zu wechseln, der mit den Gegebenheiten bei Hof ebenso vertraut ist wie er.«
»Großer Gott, Weib!«, platzte Bandolf heraus und schüttelte den Kopf. »Glaubt Ihr wirklich, der Mann hätte nichts Besseres zu tun, als Eurem Geschwatze zu lauschen?«
Eltrudis blinzelte verdutzt und starrte ihn sprachlos an.
Dann warf sie den Kopf in den Nacken und rauschte hoheitsvoll aus der Halle.
Matthäa war aufgesprungen. »Himmel!«, fuhr sie Bandolf verärgert an. »Das wird mich Tage der Pflege ihrer Zustände kosten!« Kopfschüttelnd lief sie ihrer Tante hinterher und warf die Tür der Halle vehement hinter sich zu.
»Weibsvolk«, brummte Bandolf verhalten. Dann rief er nach seinem Schreiber.
Leise schloss Matthäa die Tür zu Eltrudis’ Kammer und lehnte sich mit geschlossenen Augen an den Türrahmen.
Tief gekränkt, hatte sich Eltrudis den ganzen Abend in ihrer Kammer hinter ihrer erschütterten Gesundheit verschanzt und sich geweigert, das Nachtmahl gemeinsam mit der Familie unten in der Halle einzunehmen. »Meine Liebe, ich weiß wirklich nicht, wie es mir gelingen soll, an der Seite Eures Gatten jemals wieder einen Bissen zu mir zu nehmen, nachdem er mich so schnöde behandelt hat«, beschwerte sie sich bei Matthäa mit hauchzarter Stimme, die andeuten sollte, wie übel man ihr mitgespielt hatte.
»Er wollte es gewiss nicht an Freundlichkeit Euch gegenüber fehlen lassen«, verteidigte Matthäa ihren despektierlichen Gemahl.
Doch es half nichts. Die Burggräfin musste einen endlosen Vortrag über sich ergehen lassen, der all die Ungebührlichkeiten zum Gegenstand hatte, die ihrer Tante in Matthäas mangelhaft geführtem Haushalt begegnet waren. Nach und nach schimmerte in ihrer langatmigen Rede auch ihr Ärger über die Äbtissin von Mariamünster durch. Offenbar hatte die Ehrwürdige Mutter sich nur wenig vom Wohlstand der Witwe beeindruckt gezeigt und war nicht bereit gewesen, irgendwelche Zugeständnisse an Eltrudis’ delikate Bedürfnisse zu machen.
Es war weit nach Sonnenuntergang, und die Hauseigenen
hatten sich bereits um das Herdfeuer niedergelegt, als Matthäa den letzten Schlaftrunk nach oben trug, die Felle um Eltrudis noch einmal zurechtzupfte und ihr eine gesegnete Nachtruhe wünschte.
Die Burggräfin öffnete die Augen. Von all der Aufregung und Rennerei begann ihr Gedärm wieder zu rebellieren. Sie spürte, wie sie sich verkrampfte.
Wenn es mir morgen nicht besser geht, werde ich Garsende aufsuchen, versprach sie sich selbst, und für einen Augenblick erhellte sich ihr Gesicht. Die Aussicht, in der Hütte der Freundin ein wenig entspannte Ruhe zu genie ßen, tat ihr wohl.
Und hatte sie nicht auch Grund, erleichtert zu sein, da das Kloster Mariamünster nun als künftiger Altersruhesitz der Tante nicht mehr in Frage kam?
Ein Schatten flog über Matthäas rundliche Wangen.
Sie hatte an Eltrudis’ Gespräch mit der Äbtissin nicht teilgenommen und stattdessen die Gelegenheit genutzt, für sich in der friedlichen Stille der Kirche zu beten. Als sie das Gotteshaus verließ, hatte sie ihren Gatten an der Klosterpforte entdeckt. Mit einem jungen Weib an seiner Seite, das wie eine Klette an seinem Arm hing! Die Vertraulichkeit, mit der sie Bandolf anschaute, und der bewundernde Blick, den ihr Gatte ihrer unleugbaren Schönheit zollte, jagten einen schmerzhaften Stich durch Matthäas Leib. Anstatt ihn zu begrüßen, war sie rasch in den Schatten des gewölbten Kirchentors zurückgetreten. Es schien ihr, als würde sich die Welt vor ihren Augen verdunkeln, als sie sah, wie Bandolf mit dem Frauenzimmer scherzte, ehe die Pförtnerin das junge Weib mit sich nahm.
Bandolf hatte ihr nie Anlass zur Klage gegeben, und stets hatte sie sich in seine Neigung gehüllt
Weitere Kostenlose Bücher