Das zerbrochene Siegel - Roman
Antwort.
Unzufrieden rückte Matthäa von ihm ab. »Und wie kommt es, dass sie an Eurem Arm hing?«, erkundigte sie sich spitz.
Bandolf richtete sich auf. »Herrje, Weib!«, sagte er ungeduldig. »Sie hatte sich den Fuß verletzt. Da gebot es die Höflichkeit, sie zu stützen.« Plötzlich lachte er auf. »Am Ende seid Ihr gar eifersüchtig?«
»Bildet Euch nur nicht zu viel ein«, rief sie empört, drehte sich um und kehrte ihm ostentativ den Rücken zu.
»Und warum seid Ihr mir dann gram?«, fragte ihr Gatte begriffsstutzig.
Darauf wollte ihr keine rechte Antwort einfallen, und so griff sie nach dem erstbesten Gedanken, der ihr kam: »Es will mir einfach nicht gefallen, dass Ihr beabsichtigt, den armen Prosperius zu dieser Jahreszeit ins Bergland zu hetzen.«
Sie hörte, wie Bandolf seufzte. »Mir ist auch nicht wohl dabei«, gab er zu, »doch was bleibt mir anderes übrig? Ich muss mehr über Arnold von Clemante erfahren. Mein Schreiber ist im Augenblick der Einzige, den ich mit einem solchen Auftrag betrauen und den ich just entbehren kann. Alle anderen brauche ich hier, dafür hat der Bischof gesorgt.«
Abgelenkt drehte sich Matthäa wieder zu ihm um. Sie runzelte besorgt die Stirn. »Ich habe gehört, dass Ihr sagtet, dieser Mann könnte mit Ulbert von Flonheims Tod zu tun haben. Wie könnt Ihr den Jungen nur hinter jemandem herschicken, der womöglich ein Mörder ist?«
»Ich tue nichts dergleichen«, brummte ihr Gatte ärgerlich. »Prosperius soll Grimbald vom Diemerstein aufsuchen und herausfinden, was der Alte über den Mann weiß. Sein Heim liegt über dem Isenachtal, wo sich Arnolds Gut befindet. Er müsste ihn also kennen.«
»Es ist keine gute Jahreszeit, um zu reisen«, wandte sie ein. »Die Wege sind gefährlich. Es kann Sturm geben, oder sogar Schnee. Zudem haust Grimbald wie ein Einsiedler in seinem baufälligen Bergfried. Ich glaube nicht, dass er seinen nächsten Nachbarn kennt, geschweige denn jemanden aus dem Tal. Womöglich setzt Ihr Prosperius ganz umsonst der Gefahr einer solchen Reise aus.«
»Zwei meiner Dienstleute werden ihn zum Schutz begleiten.« Bandolf rutschte tiefer in die Felle und schloss die Augen. »Macht Euch keine Sorgen.«
»Eure Männer können ihn aber nicht vor Schnee und Kälte schützen«, beharrte sie. »Und warum muss es schon
morgen in aller Frühe sein? Kann die Reise denn nicht noch ein Weilchen warten?«
Ihr Gatte seufzte. »Sorgt Ihr nur für genügend Proviant. Dem Jungen wird schon nichts passieren. Nun blast die Lampe aus und lasst uns schlafen.«
Widerstrebend kam Matthäa seinem Wunsch nach und löschte das Licht. Befreit hatte er sie jedoch weder von der einen noch der anderen ihrer Sorgen.
KAPITEL 9
M it einem Ruck schreckte Garsende aus dem Schlaf auf. Benommen setzte sie sich auf und fuhr sich mit der Zunge über ihre trockenen Lippen. Das Holz, das sie vor dem Schlafengehen unter ihrem Herdfeuer nachgelegt hatte, war kaum niedergebrannt, also konnte die Nacht noch nicht weit fortgeschritten sein. Sie fragte sich, was sie geweckt haben mochte. Ein Alp vielleicht? Ein böser Geist, der sich des Nachts in die Träume der Menschen schlich, um sie zu quälen?
Seufzend schwang Garsende die Beine aus der Bettstatt und tappte zum Tisch hinüber, auf dem ein Krug mit Wasser stand. Ohne sich lange damit aufzuhalten, einen Becher hervorzukramen, setzte sie den Krug an die Lippen und trank mit durstigen Zügen.
Ein plötzliches Geräusch von draußen ließ sie zusammenfahren. Das Wasser im Krug schwappte über und lief über ihre Hand. Mit angehaltenem Atem lauschte sie. Da war es wieder - ein eigentümliches Knarren, das aus unmittelbarer Nähe vor ihrem Haus kam.
War da draußen jemand?
Garsende spürte, wie sich die Härchen ihrer nackten Haut aufstellten, und ein furchtsamer Schauer ließ sie frösteln. Unwillkürlich flog ihr Blick zur Bettstatt hinüber, doch Lothar war nicht da. Natürlich nicht, hatte sie ihn doch selbst weggeschickt, als die Nacht hereingebrochen war. Vielleicht war er zurückgekommen? Aber er würde an die Tür klopfen und sie nicht zu Tode erschrecken.
Vorsichtig stellte Garsende den Krug ab. Während sie auf Zehenspitzen zu ihrer Bettstatt lief, um nach ihrem Gewand zu greifen, jagten üble Bilder von wilden Tieren, grausamen Meuchlern und schwarzen Dämonen durch ihren Kopf. Ihre Hände waren nicht ganz ruhig, als sie ihr Kleid überstreifte.
Das Geräusch kehrte wieder. Sie hielt inne und lauschte angespannt nach
Weitere Kostenlose Bücher