Das zerbrochene Siegel - Roman
gefühlt wie in ein zärtlich wärmendes Fell. Niemals war sie auf den Gedanken verfallen, er könne ein Vergnügen außerhalb der ehelichen
Schlafstatt begehren. Was war sie doch für eine törichte Närrin!
Wäre es denn ein Wunder, wenn er sich eine Kebse nähme, ein schönes Weib wie dieses, jung genug, um Söhne zu gebären?
Ein eisiger Schreck fuhr durch Matthäas Glieder. Würde er sie um eines Sohnes willen gar verstoßen, da sie nicht in der Lage schien, ihm einen Erben zu schenken? Oft genug kam es vor, dass Männer ihre Ehefrauen der Unzucht beschuldigten, um sich ihrer zu entledigen und sich ein neues Weib zu nehmen.
Nicht mein Burggraf, protestierte eine leise Stimme in ihr.
Gewöhnlich neigte Matthäa nicht dazu, die Dinge übertrieben hoffnungslos zu sehen. Doch die Vorstellung, wie sich dieses Frauenzimmer an Bandolf geschmiegt hatte, ließ sie nicht mehr los und fraß an ihr wie ein eitriges Geschwür.
Der Weg zurück in die Stadt wurde Matthäa endlos, und während Eltrudis über den Dünkel lamentierte, der heutzutage in den Klöstern zu herrschen schien, kämpfte Matthäa mit Übelkeit und schweren Gedanken.
Erst als sie die Halle betrat und die tägliche Arbeit ihre Aufmerksamkeit forderte, schienen die Dinge allmählich wieder ins rechte Licht gerückt. So vorschnell zu urteilen, war unklug, mahnte sie sich. Gewiss gab es eine andere Erklärung dafür, warum dieses junge Weib so anhänglich getan hatte.
Aber ein leiser Zweifel blieb.
Schnarchlaute, die hinter ihr aus Eltrudis’ Kammer drangen, schreckten die Burggräfin aus ihren trüben Gedanken.
Vorsichtig stieß sie sich vom Türrahmen ab und huschte auf Zehenspitzen zu ihrer eigenen Schlafkammer hinüber.
Nachdem Matthäa die Tür geöffnet hatte, leuchtete sie mit ihrer Laterne hinter die Truhe und in die anderen dunklen Ecken, wo Penelope hin und wieder ihren nächtlichen Schlummer zu halten pflegte. Doch heute schien sie anderswo ihr Lager aufgeschlagen zu haben. Von der lästigen Katze war nichts zu sehen. Warum ihr Gatte einen solchen Narren an dem Tier gefressen hatte, war Matthäa schleierhaft. Ganz abgesehen davon, dass Penelope gewiss Flöhe, Zecken und anderes Ungeziefer ins Haus schleppte, die Haare ihres Fells überall verteilte und Kratzspuren an der schön geschnitzten Truhe hinterließ, die noch von Matthäas Mutter stammte, sagte man den Katzen nach, sie wären imstande, tief in die Seelen der Menschen zu blicken. Ihr Gatte pflegte über solche Bedenken zu lachen. Doch Matthäa war sich nicht sicher, ob das nicht stimmte.
»Gibt sie endlich Frieden?«
Beim Klang seiner Stimme zuckte Matthäa zusammen. Sie hatte geglaubt, dass Bandolf schon schliefe.
»Wenn, dann ist das nicht Euer Verdienst.« Sie hörte selbst, wie gereizt ihre Stimme klang. Mit einem leisen Seufzen stellte sie ihre Lampe neben der Bettstatt ab und begann, die Bänder ihres Gewandes am Rücken aufzuknüpfen.
»Es wurde höchste Zeit, dass jemand sie in ihre Schranken verweist«, brummte Bandolf. »Und Ihr tut es ja nicht.«
»Sie ist meine Tante und Gast in diesem Haus.«
Ihr Gatte murmelte etwas über die Unsitte mancher Leute im Allgemeinen und einer Anverwandten im Besonderen, das Gastrecht über Gebühr zu strapazieren.
»Womöglich wird Eltrudis nicht mehr allzu lange unser Gast bleiben«, meinte Matthäa, während sie ihr Gewand abstreifte.
»Tatsächlich?« Ein Lächeln glitt über Bandolfs breites, bärtiges Gesicht, während sein Blick über ihren nackten
Körper glitt. Wie stets breitete er einladend seine Arme aus, und sie dachte, dass sie sich vielleicht doch grundlos Sorgen gemacht hatte, während sie ihren Kopf an seine Brust bettete.
»Ihre Unterredung mit Mutter Margarete scheint nicht zu ihrer Zufriedenheit verlaufen zu sein.« Wie beiläufig fügte sie hinzu: »Hat Euch die Ehrwürdige Mutter nichts darüber gesagt?«
»Hmm.«
Bestimmt war es klüger, den Gegenstand, der sie so beunruhigte, nicht zu berühren. Doch der Gedanke an das junge Weib, das ihm schöne Augen gemacht hatte, ließ ihr keine Ruhe.
»Habt Ihr nicht heute erst mit der Ehrwürdigen Mutter gesprochen?«, hakte sie nach.
»Ihr habt mich im Kloster gesehen? Warum machtet Ihr Euch nicht bemerkbar?«
»Es war offensichtlich, dass Ihr beschäftigt wart. Das Weib an Eurer Seite schien Euch gänzlich in Anspruch zu nehmen.«
Er murmelte etwas Unverständliches.
»Wer war die junge Frau?«
»Nur ein Gast im Kloster«, kam die einsilbige
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