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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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glatt zu streichen, wenn sie eine Kelle voll aus dem Fass entnommen hatte, und jetzt war eine Mulde darin.
    Mit gerunzelter Stirn schloss sie die Kiste und leuchtete noch einmal in alle Ecken des kleinen Verschlags, ehe sie ihn verließ und den Riegel vor die Tür schob.
    Nachdenklich kehrte sie in ihre Hütte zurück, und während sie endlich wieder unter ihr Fell kroch, grübelte sie darüber nach, was für ein rücksichtsvoller Strauchdieb das gewesen sein mochte, der nur das Nötigste gestohlen und ihr den Großteil gelassen hatte.

    Im Gegensatz zu seiner Gattin, die Bandolf den morgendlichen Haferbrei mit einem kühlen Nicken reichte, schien sein junger Schreiber bester Stimmung zu sein und seine Abreise kaum erwarten zu können. Der Burggraf folgte seinem eifrigen Geplauder mit wachsendem Argwohn, war Prosperius doch sonst jeglicher Anstrengung abhold und liebte es nicht, sich allzu weit von Filibertas schmackhaften Eintöpfen zu entfernen. Doch jetzt war es zu spät, den Burschen ins Gebet zu nehmen.
    Als das Mahl beendet war, drückte Filiberta Prosperius einen prallgefüllten Beutel in die Hand, mit der grimmigen Mahnung, er solle sich den Proviant gut einteilen und sich nicht schon am ersten Tag den Wanst damit vollstopfen.
    Während der Burggraf zusah, wie sein junger Schreiber mit leuchtenden Augen und offenkundig sorglos Abschied nahm, überfielen ihn doch Zweifel. Hatte seine Gattin womöglich recht? War Prosperius zu jung für die Aufgabe, die er ihm übertragen hatte? Dann schalt er sich einen gefühlsduseligen Narren. Prosperius war noch jünger gewesen, als er sein Kloster oben im Norden verlassen hatte. In Köln waren ihm seine Mitbrüder verlorengegangen, und er hatte sich allein bis nach Worms durchgeschlagen. Da sollte er doch einen Dreitagesmarsch ins Bergland überstehen, ohne Unsinn anzustellen und Schaden zu nehmen. Zumal Bandolf seinen beiden Dienstleuten eingeschärft hatte, den jungen Burschen gut im Auge zu behalten. Andernfalls würden sie sich rasch unter den Kotkönigen wiederfinden, die die Jauchegruben der Wormser Bürger zu säubern hatten.
    Nachdem Prosperius mit seinen beiden Bewachern hinter der Pforte verschwunden war, warf Bandolf einen Blick auf sein Weib, das noch in der Haustür stand. Matthäa hob den Kopf und erwiderte seinen Blick mit hochgerecktem Näschen.
Dann warf sie ihren rotblonden Zopf in den Nacken, wandte sich um und rauschte ins Haus. Die Tür schlug sie ihm vor der Nase zu.
    »Verdammmich!«, knurrte Bandolf verärgert. Beim besten Willen konnte er sich nicht erklären, womit er ihren Groll verdient haben sollte.
     
    Es war noch nicht Mittag, als Bandolf seinen Schreiber bereits schmerzlich vermisste. Kaum war Prosperius fort gewesen, als ein Tucher in Bandolfs Halle gestanden hatte, seinen Hemdzipfel verlegen zur Wurst drehte und sich mit kaum hörbarem Flüstern danach erkundigte, ob das Gewand seines Weibes mittlerweile gefunden worden sei.
    Der Burggraf versprach, sich darum zu kümmern.
    Anschließend hörte er sich die Beschwerden zweier streitsüchtiger Bauern an, von denen jeder behauptete, der Marktstand des einen griffe auf den des anderen über. Nachdem er dann einem alten Kaufmann empört die Tür gewiesen hatte, der ihm mit schmieriger Stimme ein Zubrot anbot, wenn der Burggraf dafür sorgte, dass seine Waren ohne den üblichen Zoll in die Stadt gelängen, so wie es Bandolfs Schreiber versprochen hätte, rief er mit grimmigem Gesicht nach einem Krug Bier.
    Er hatte den Mund noch nicht zugemacht, als der Knecht eines Pachtbauern an seine Tür klopfte und berichtete, dass seinem Herrn eine Karre mit Winterrüben auf dem Marktplatz gestohlen worden sei. Der Burggraf wunderte sich noch darüber, wie eine ganze Fuhre unter den Augen des Bauern verschwinden konnte, da stand auch schon der aufgebrachte Kämmerer des Domstifts vor ihm. Was dem Burggrafen denn einfiele, einen seiner Büttel in das Viertel der Juden zu schicken? Die Juden unterständen dem König, welcher dem Bischof übertragen hätte, sich ihrer Belange anzunehmen. Und solange Seine Eminenz noch in Lorsch
weile, sei es seine, des Kämmerers! , Aufgabe, sich darum zu kümmern.
    Gereizt setzte Bandolf dem empörten Domherrn auseinander, dass der Büttel sich in der ganzen Stadt, einschließlich des jüdischen Viertels, davon zu überzeugen hätte, dass die Feuerstellen in den Häusern den Vorschriften entsprachen, und dass das sehr wohl die Aufgabe des Burggrafen und keineswegs die des

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