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Das Zimmermaedchen

Das Zimmermaedchen

Titel: Das Zimmermaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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»Willst du dich nicht setzen?«, fragt Chiara. »Hast du Angst?«
    »Was?«
    »Bist du aufgeregt?«
    Lynn setzt sich zu Chiara aufs Sofa. Chiara legt beide Arme um ihren Rücken.
    »Wie kannst du jemanden berühren, den du nicht kennst?«, fragt Lynn.
    »Wir haben alle zwei Beine und zwei Arme und einen Kopf und was sonst noch dazugehört. Zum Beispiel einen Rücken.«
    Chiara zieht Lynn ein klein wenig zu sich, keine erotische Tat, sitzt da, neben ihr, hält Lynn im Arm, fest, Lynn versucht sich an ihre Nüchternheit zu klammern, sie denkt, die weiß, was sie tut, und dann merkt sie, wie Chiara ganz langsam mit dem Streicheln beginnt, den Rücken auf und ab, sie hört, wie Chiara einen Ton von sich gibt, ein leichtes Ausatmen, als gefalle ihr das, was sie tut, vielleicht gefällt es ihr auch, denkt Lynn, siehst toll aus, sagt Chiara, ich mag deine Nase, Gesichter kommen sich näher, ich steh auf Frauen, flüstert Chiara, nicht verführerisch, nicht lügnerisch, der Tonfall, denkt Lynn, klingt echt, das muss echt sein, und du, fragt Chiara, schon mal mit ner Frau zusammen gewesen, nein, sagt Lynn, und Chiara streichelt mit der Rückseite ihrer Hand Lynns Wange, ihre gefächerten Finger fahren durch Lynns Haare, während Chiaras Mund sich öffnet, sie nimmt Lynns Kinn zwischen die Lippen, Lynn hat längst die Augen geschlossen, Chiaras Hand fährt langsam Lynns Oberschenkel entlang, und dieser Daumen, der nicht zu wissen scheint, wo er hin will, Lynn atmet laut, sie hat die Fragen vergessen, die sie stellen will, sie hat alles um sich her vergessen, sie sagt, mach weiter, dann sagt sie nichts mehr, ist nur noch Körper, der spürt und die Kontrolle verliert, und erst als Lynn das Geräusch der Dusche hört, merkt sie, dass sie nackt auf dem Sofa liegt, allein, der Körper bedeckt von Feuchtigkeit. Lynn starrt zur Decke. Chiara kommt aus dem Bad, sie ist angezogen.
    »Kurz vor sieben«, sagt sie.
    Chiara nimmt das Geld, das auf dem Tisch liegt.
    »Du rufst mich wieder an?«
    »Klar«, sagt Lynn.
    »Nächsten Samstag?«
    »Ja.«
    »Ciao.«
    »Ciao.«
    »Wie war’s?«, ruft Lynn, aber die Tür ist schon zu, Lynn allein und das Geld fort, aber Chiara hat nicht etwa mehr Geld verlangt, obwohl sie länger geblieben ist, fast eine Stunde länger ist sie geblieben, das hat sie von sich aus getan, denkt Lynn, auch sie wird es genossen haben, warum wäre sie sonst so lange geblieben, es hat ihr Spaß gemacht, es muss ihr Spaß gemacht haben, sonst hätte sie gesagt, leg noch mal so viel drauf, eine volle Stunde gratis, denkt Lynn und wehrt sich gegen Rabatt-Gedanken, gegen Werbe-Gedanken, gegen Dienst-am-Kunden-Gedanken, gegen den Gedanken, der Kunde muss zufrieden sein beim ersten Mal, mit aller Kraft sträubt sich Lynns Kopf gegen ihre Gedanken, das kann nicht sein, nicht nach dem, was geschehen ist. Und sie weiß, dass sie es wieder tun wird, tun muss, sie weiß, dass sie etwas gefunden hat. Jeden Samstag, denkt Lynn, ich werd es jeden Samstag tun.
    Stetes Wiederholen von Bewegung. Tauchen des Putzlappens. Klatschen. Schrubben. Lynn kniet, spuckt auf den Boden im Bad, verreibt Spucke langsam mit dem Zeigefinger, nimmt den Feudel, taucht ihn in den Putzeimer, Schaum auf dem mausgrauen Stoff, Lynn wringt ihn langsam aus, flappt ihn auf den Boden, zweimal, dreimal, Wasser spritzt in alle Richtungen, ihr auf die Knie, sie wühlt ihre Hand in den Stoff, streichelt den Boden, will am liebsten die Putzklamotten ausziehen und nackt dort knien, schüttelt die Flasche mit dem Putzmittel, schüttelt so lange, bis ihr das Handgelenk wehtut, haucht den Spiegel an, fährt mit der Zunge über den Spiegel, sprüht ihn voll, quietscht mit dem Lappen drüber, kniet in der Badewanne, säubert, tötet Bakterien, Bazillen, verwandelt Schmutz in nichts.
    Am Dienstag liegt sie unterm Bett einer Frau, die krank ist, Sommergrippe, sie hustet, niest, putzt sich die Nase, stöhnt ab und zu. Ihre Stirn wird heiß sein. Etwas zischt, die Frau trinkt, atmet durch den Mund, sieht fern. Das ist alles, was sie tut. Blaue Blitze fallen auf den Boden. Die morgigen Temperaturen liegen zwischen 20 und 26 Grad. Wind frischt auf. Warme Fronten wechseln mit kühlen. Eine Wolkendecke verlagert sich.

8
    L ynn steht vorm Spiegel und sieht ihren Ausweis an, den sie dort festgeklebt hat. Linda Zapatek, denkt sie, das bin ich. Mittwoch ist frei, Donnerstag Mutteranruf, Freitag Therapeut.
    Samstag Chiara.
    Um sie zu bezahlen, verkauft Lynn den Laptop und die

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