Das zitternde Herz
so schien es ihr, nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie stand auf und ging, oder sie versuchte, sich irgendwie der Wahrheit anzunähern.
Die Frau wußte bereits, wie sie hieß. Vielleicht lohnte es sich, ihr ein wenig zu vertrauen. Weggehen würde jedenfalls gar nichts bewirken.
»Lassen Sie mich Ihnen helfen, wenn ich kann«, sagte Dorothy.
»Bevor Sie kamen, habe ich Ihren Namen im Who’s Who nachge-schlagen. Ich bin davon ausgegangen, daß Sie die sind, für die Sie sich ausgeben. Ich finde, in meinem Geschäft ist das eine sinnvolle Referenz, also schauen Sie nicht so überrascht. Sie glauben nicht, wie viele Leute sich als jemand Bekanntes ausgeben, wenn sie mit einem Hund hier ankommen. Ihre Motive sind unterschiedlich, aber gewöhnlich schäbig. Ein paar Fragen schaffen in der Regel schnell Klarheit. Ich bin bereit zu glauben, daß Sie diejenige sind, die Sie zu sein behaupten, aber Sie sind nicht wegen des Hundes hier. Was kann ich also für Sie tun?«
»Ich bin wegen Ihres Bruders hier«, sagte Kate und fühlte sich total idiotisch. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so ohnmächtig, so ihrer Persönlichkeit beraubt gefühlt. Es war ein Durcheinander aus Verzweiflung, Sorge, Wut und Hilflosigkeit, ein vertracktes Gemisch.
»Mein Bruder? Kenneth? Stimmt, der studiert ja immer noch an der Uni, wo Sie unterrichten. Warum bin ich darauf nicht gleich gekommen? Kenneth ist ein bißchen spät dran für einen Studenten, aber er war immer etwas zurück, bei allem, was er gemacht hat, ein richtiges Mamasöhnchen. Ist er ein Student von Ihnen?«
»Nein, ich kenne ihn gar nicht. Er hat einen Brief an die College-Zeitung geschrieben.«
»Aha, ich verstehe. Verkündet all die alten Familienwerte und vorsintflutlichen Moralvorstellungen, was meist darauf hinausläuft, die Reichen, die Weißen und die Männer zu unterstützen, auch wenn das vielleicht nicht die richtige Reihenfolge ist. Sagen Sie, waren Sie mit diesem Brief einverstanden?«
»Nein. Ich hielt ihn für ziemlich wahnsinnig. Aber er hat mir ganz schön zu denken gegeben.«
»Natürlich hat er das, meine Liebe. Ken ist fünfzehn Jahre jünger als ich und dreizehn Jahre jünger als meine Schwester. Er war ein später Einfall, und kein guter, meiner Meinung nach. Aber er war männlich. Meine Mutter fühlte sich wie Sarah: Gott hatte sie endlich gesegnet. Meine arme Schwester landete in einer dieser Sekten, wo sie einem sagen, was man tun und wen man heiraten und was man jede Minute des Tages denken soll, genau wie zu Hause, hätte ich gedacht – aber es war wenigstens nicht zu Hause. Ich glaube, sie hatte sich daran gewöhnt, daß man ihr sagte, was sie tun sollte, und mit dieser Gewohnheit konnte sie nicht brechen. Ich bin einfach ausgestiegen. Unser Vater starb nach Kens Geburt. Ich vermute, er starb an Syphilis, auch wenn heute anscheinend niemand mehr an dieser Krankheit stirbt. Nun, wie Sie sich wahrscheinlich vorstellen können, waren wir nicht gerade eine glückliche Vorzeigefamilie. Ob das wahre Familienwerte widerspiegelt, weiß ich nicht, aber vermutlich schon: Elend auf allen Seiten, es sei denn, man hat teil an der Gewißheit, in allem absolut recht zu haben, Fragen sind nicht erlaubt. Erzählen Sie mir etwas von sich.«
»Sie wissen, was im Who’s Who steht. Das einzige, was vielleicht von gewisser Bedeutung ist und nicht da drin steht, ist, daß ich mich gelegentlich als Detektivin betätigt habe, das ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Rein zum Spaß. Aber«, setzte Kate hinzu, mehr zu sich selbst als zu Dorothy, »meine diesbezüglichen Fähigkeiten scheinen sich mit meinem Selbstvertrauen davongemacht zu haben.«
»Kate, meine Liebe«, sagte Dorothy, »Sie sind ganz offensichtlich in irgendwelchen Schwierigkeiten, und was das für Schwierigkeiten sind, geht mich nichts an. Andererseits sind Sie hier zu mir rausgefahren mit einem Welpen, den Sie, wie es aussieht, innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden erworben haben, ich darf also vielleicht annehmen, daß Sie nicht wegen des Hundes gekommen sind. Falls Sie in erster Linie eine Hundepension sehen wollten, da gibt es andere, näher bei der Stadt – nicht so gute, das gebe ich zu, aber akzeptable. Warum sind Sie zu mir gekommen?«
»Ich habe sie tatsächlich erst seit ein paar Tagen«, sagte Kate und streichelte Banny. »Und ich muß zugeben, daß ich ganz weg bin von ihr, obwohl ich nicht glaube, daß man mir erlauben wird, sie zu behalten. « Und zu Kates Verlegenheit
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