Das zitternde Herz
Dorothy heimlich mit den Entführern zusammen-arbeitete, ihnen die Geschichte erzählen und so Reed zusätzlich ge-fährden würde. Irgendwie wirkte das zu weit hergeholt, selbst für Kate in ihrer gegenwärtigen Verfassung extremen Mißtrauens. Sie entschied sich – nicht zum ersten Mal, wie sie sich eingestand, aber andererseits war es auch nie ganz falsch gewesen – zu vertrauen.
Dennoch, ein, zwei Fragen könnte man durchaus stellen. Angenommen, diese Frau sagte »Ich bin keine Feministin, aber ich bin für gleichen Lohn für gleiche Arbeit«. Würde man bei jemandem, der einer solchen Antwort fähig ist, auf Hilfe gegen eine militante antifeministische Gruppe setzen wollen? Nein, dachte Kate, wahrscheinlich nicht.
»Wie stehen Sie zum Feminismus?« fragte Kate. Falls Dorothy sich über die Frage wunderte, ließ sie es sich nicht anmerken.
»Wie ich dazu stehe? Der Feminismus hat mir das Leben gerettet.
So stehe ich dazu. Wenn ich nicht auf den Feminismus gestoßen wäre, damals, dann würde ich mich noch heute fragen, warum ich immer das Gefühl hatte, daß in meiner Familie alles verkehrt war, wo doch jeder auf ihrer Seite zu sein schien. Plötzlich schien es nicht mehr so, als wäre jeder auf ihrer Seite. Es zeigte sich, daß alles, was ich fühlte, auch andere fühlten; es war eine Erlösung. Nach den paar Hinweisen über Sie im Who’s Who zu urteilen, sind Sie auch Feministin. Oder irre ich mich?«
»Nein, Sie irren sich nicht. Ich bin verheiratet, sehen Sie«, begann Kate.
»Ja«, erwiderte Dorothy, »das stand auch drin.«
»Mein Mann wurde entführt, wissen Sie. Ich hasse diesen Ausdruck, mein Mann, aber noch mehr hasse ich den Ausdruck meine Frau. Trotzdem – «
»Wie meinen Sie das, entführt?«
»Eben entführt: in ein Auto gestoßen, weggebracht, gefangengehalten unter der Androhung, ihn zu töten, wenn ich nicht innerhalb einiger Tage etwas darüber schreibe, warum ich dem Feminismus für immer abschwöre. Etwas, was aufsehenerregend genug ist, um ver-
öffentlicht zu werden. Deshalb schließe ich, daß die Entführer irgendwelche Rechtsextremen sind, die den Feminismus verabscheuen und fürchten.«
»Und Sie glauben, Kenneth und Mam könnten damit zu tun haben?«
»Ich habe keinen Grund, das anzunehmen, aber es ist die einzige Spur, auf die ich gestoßen bin. Als ich von Ihnen erfuhr, dachte ich, na ja, einen Versuch ist es wert.«
»Haben Sie sich deshalb diesen knuddeligen Welpen ausge-borgt?«
»Nein, das hatte andere Gründe. Aber ich muß Ihnen sagen, daß man mir vielleicht hierher gefolgt ist. Es kam mir nicht so vor, aber ich habe auch nicht daran gedacht, daß man mir folgen könnte; ich hätte darauf achten sollen. Ich fürchte, meine mentalen Fähigkeiten wurden durch all das nicht gerade geschärft. «
»Wie denn auch? Ich brauche Zeit zum Nachdenken«, sagte Dorothy. »Ich weiß nicht, wie ich herausfinden soll, ob meine Familie mit der Sache zu tun hat, da ich seit Jahren nicht mehr mit ihnen gesprochen habe, aber ich werde mir etwas einfallen lassen. Unterdessen lassen Sie uns hoffen, daß man Ihnen gefolgt ist. Wenn ja, setzen sie sich womöglich mit mir in Verbindung, und dann wissen wir, wer sie sind. Ich sag Ihnen was: lassen Sie Banny besser bei mir; dann haben Sie einen Grund wiederzukommen. Sagen wir, Sie haben mich gebeten, sie für Sie zur Stubenreinheit zu erziehen.«
» Oh, nein «, rief Kate – und war von sich selbst überrascht. »Ich kann Banny nicht hierlassen. Ich brauche sie aus anderen Gründen, die ich jetzt nicht näher erklären kann.«
»Und als Talisman und Trost. Okay. Aber so wird es für uns schwieriger sein, in Verbindung zu bleiben. – Hören Sie: geben Sie mir etwas Zeit, und bringen Sie sie Donnerstag abend wieder her.
Entweder habe ich bis dahin etwas zu berichten, oder es gibt nichts.
Dann macht es auch nichts, daß Sie einfach so gekommen sind.
Wenn aber doch, dann können wir wenigstens hier miteinander sprechen und uns dann irgendwo anders verabreden. Abgemacht?«
»Abgemacht«, sagte Kate, und damit mußte sie sich zufriedenge-ben.
4
Nachdem Kate sich von Dorothy Hedge verabschiedet hatte, wurde der Verkehr auf dem Taconic und dem Saw Mill Parkway dichter.
Kate mußte an jeder Ampel auf dem Saw Mill anhalten und wartete ungeduldig, daß die Autos vor ihr sich in Gang setzten, wenn es grün wurde. Die Obrigkeit hatte, dank welchem vernunftbegabten Politiker auch immer (und natürlich wußte man nicht, wem man danken
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