Das zitternde Herz
sagte Toni. »Die Sache ist interessant. Harriet hat Ihnen erzählt, daß eine der Töchter ein in den Augen von Mutter und Sohn inakzeptables Leben führt, und ich habe sie ausfindig gemacht. Sie scheint ihre Mutter und ihren Bruder nicht oft zu sehen, aber ich glaube, sie mag sie auch nicht besonders. Sie weiß nichts von Reed; Sie müssen sie mehr oder weniger zufällig treffen und ihr, nach Ihrem eigenen Gutdünken, soviel erzählen, wie Sie ihr erzählen wollen. Ich habe den Verdacht, daß sie uns vielleicht helfen könnte.«
»Und wie soll ich sie treffen?« fragte Kate.
»Ganz einfach. Sie lebt in Putnam County, wo sie einen Zwinger hat und Hunde in Pension nimmt. Sie fahren mit Banny dorthin und sehen sich das mal an. Hier ist die Adresse und die Telephonnummer. Sie werden ja sehen. Aber denken Sie daran, wenn Sie auch nur den leisesten Zweifel haben, dann belassen Sie es bei einer Besichti-gung der Hundepension.«
»Vielleicht sollte ich meine Vorlesung und meine Sprechstunde morgen absagen und statt dessen zu ihr fahren.«
»Auf keinen Fall. Was immer Sie auch tun, ändern Sie keines-falls Ihre Gewohnheiten. Sie können morgen nach Ihrer Vorlesung fahren. Rufen Sie sie vorher an, damit sie auch da ist. Und vergessen Sie nicht, Banny mitzunehmen. Wenn man Hundebesitzer befragt, wirkt man viel glaubwürdiger, wenn man selbst einen Hund hat. «
Und so holte Kate am nächsten Tag nach ihrer Vorlesung das Au-to aus der Garage und Banny aus der Wohnung. Sie hatte angerufen und erfahren, daß die Besitzerin, Dorothy Hedge, Tochter der rechtsextremen Mutter und Schwester des Sohns, sie persönlich empfangen werde. »Ein Bernhardiner!« hatte sie ausgerufen. »Was für eine mutige Frau Sie sind. Ich züchte Norwich Terrier. Norwich Terrier lieben große Hunde. Ich habe den Verdacht, daß sie sich selbst für große Hunde halten. Also kommen Sie, gerne.«
Kate plazierte Banny auf dem Rücksitz, aber es wurde bald klar, daß Banny nicht die Absicht hatte, dort zu bleiben. Sie quetschte sich durch den Spalt zwischen den Vordersitzen und ließ sich in Kates Schoß plumpsen. Kate schubste sie auf den Beifahrersitz, als sie an einer Ampel halten mußte.
Banny versuchte, wenigstens ihren Kopf auf Kates Oberschenkel zu legen, wobei aber der Schaltknüppel störte. Also kehrte sie zurück auf Kates Schoß und legte sich mehr oder weniger flach unter das Lenkrad. Das Arrangement war alles andere als sicher, aber es war nicht ganz unbequem. Kate stellte fest, daß sie zu dem Hund sprach und mit ihr die Fahrtrichtung abklärte.
Zu ihrer eigenen Überraschung fand Kate gleich die richtige Ab-zweigung von der Allee, und danach ging es nur noch darum, Later-nen und Briefkästen zu zählen. Sie bogen in die durch ein Schild (Hedge – Hundezwinger) deutlich kenntlich gemachte Zufahrt von Dorothy Hedge ein, begleitet von einer Bell-Kakophonie, die von einer fröhlichen Frauenstimme akzentuiert wurde. »Still, still, ihr Biester«, rief sie, ohne den geringsten Effekt.
Als die Inhaberin der Stimme sich ihnen näherte, hatte Kate den Eindruck, daß hier jemand ein Ritual pflegte, das sich selbst genügte.
Dorothy Hedge war eine große, warmherzige Frau, ihre dröhnende Stimme klang natürlich, fand Kate, unabhängig von einem Job, der das erforderte. Sie begrüßte Kate mit einem kräftigen Händedruck und Banny mit einem sanften Strubbeln. »Du bist aber eine Hübsche«, sagte sie.
»Ich hätte gedacht, daß Hundezwingerbesitzer gar keine große Begeisterung mehr aufbringen können«, sagte Kate lächelnd. »Wie schön, jemanden zu treffen, der Hunde so offensichtlich gern hat. «
Falls Dorothy Hedge dies für eine etwas seltsame Bemerkung hielt, so zeigte sie es nicht. »Es ist leicht, fröhlich zu sein, wenn man Hunde um sich hat«, sagte sie. »Sie haben keine Prinzipien, nur Gefühle und Hundemeinungen bezüglich zweckmäßiger Dinge. Sie wollten die Zwinger sehen?
Nicht«, setzte sie hinzu, »daß ich empfehlen würde, einen so jungen Hund in Pension zu geben, aber zweifellos haben Sie Ihre Grün-de. Bitte hier entlang.«
Kate fand die Unterbringungsmöglichkeiten ziemlich beeindruckend, und das sagte sie auch unumwunden. Jeder Pensionshund hatte einen eigenen großen Freilauf-Zwinger vor einem kleineren geschützten Bereich, einer Art Hundehütte.
»Wenn sie sich erst einmal eingelebt haben, lasse ich meine Hunde in diesem großen umzäunten Gelände dort frei laufen, es sei denn, es sind besonders unfreundliche
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