Das zweite Gesicht
nicht so sehr d i e S t ars sel b st, die s i ch verändern – es ist die Wahrneh m ung der Leute um sie heru m . W i ssen Sie, wie oft m ein Chef m i ch a u fgefordert hat, Sie in meinen Be r i c h ten die Dunkle Diva zu nennen ? «
»Julas Spitzna m e ? «
»Er sagt, das sei alles eins … Sie o der I h re Schwester, ganz egal. S eine W orte, nicht m eine. Obwohl …«
»Obwohl Sie finden, dass er Recht hat ? «
Henriette zögerte, u nd dies m al sc h i en sie ihre For m ulierung genauer abzuwägen. »Es gibt Überschneidungen, das können Sie nicht abstreiten.«
»Sie sprechen jetzt nic h t von den Äußerlichkeiten, oder ? «
»Die liegen auf der Hand. Nein, was ich m eine, ist … nun, der bisherige Verlauf Ihrer Karriere. Der erste F ilm bei Masken. Die Loslösung von ihm. Die Suite im Adlon, die Masken bezahlt …«
»Da wohne ich nicht m ehr.«
»Glauben Sie, das wüsste ich nicht ? « Henriette lachte.
»Ich h ä tte k eine Chan c e in m einem Beru f , wenn m i r so was entgehen würde. Bei Jula war es genauso: Sie hat sich eine W eile von Masken aushalten lassen, ehe ihr dieses Korsett zu eng wurde und sie eine eigene W ohnung bezogen hat. Dann ka m , als näch s t e r Schritt, die Villa a n der Krum m e n Lanke.«
Chiara schüttelte lächelnd den Kopf. »So was nennt m an natürliche E ntwicklung, finden Sie nicht ? «
»Sicher. Ich sage doch, das i s t all e s ei n e Frage d e r Wahrneh m ung von außen. D i e Leute sehen nur die Ähnlichkeiten, weil sie sie sehen wollen. Es wird nicht m ehr lange dauern, da werden auch Sie die D unkle Diva genannt werden«, Henriette s c h m unzelte, »allerdings nicht von m i r, das ist ein viel zu guter Titel für das Buch über Jula.«
Chiara b eo b achtete, wie sich in einiger Entfernung etwas über die Straße bewegte, langsam wie ein verletzter Hund. Im Näherkommen erkannte sie, dass es ein Mann ohne Beine war, der sich auf e i ner Art K arren vorwärts schob. Er warf ihr einen le e ren Bli c k zu, der sie schaudern ließ – war er blin d ? Nein, da n n wäre er nicht so gezielt auf einen Spalt zwischen den H äusern zugerollt und dort in der Dunkelheit verschwunden.
»A r m er Kerl«, sagte Henriette.
Chiara fasste sich ein H erz. »Diese Veränderung … ich glaube, ich weiß, was Sie m einen.«
Henriette w andte ihr im Gehen das Gesicht zu. »So ? «
»Ich m erke es ja selbst. Dass ich z u m Beispiel heute zu Voll m oeller gegangen bin … früher wäre ich nie auf die Idee geko mm en. Auch nicht um einer Freundin willen.«
»Ursi van der Heden ? « Henri e ttes Ton f all ver r iet, was sie dac h te: Ursi war a u ch Julas b e s t e Freun d in gewesen. Noch eine Überschneidung.
»Heute bin ich dorthing e gangen … nun, sicher aus
Neugier, a b er auch weil ich auf Ursi au f passen wollte.« Chiara seufzte.
»Herrgott, ich kann nicht glauben, dass ich das alles ausgerechnet einer Rep o rterin erzähle.«
» W ir m ögen nicht viele Vorzüge haben, aber einer ist der, dass wir zuhören könn e n.« Ihr Lächeln wirkte warm und aufrichtig. »Und machen S i e sich keine Sorgen, das hier bleibt unter uns. Sie haben et w as gut bei m i r wegen des Buches . «
»Ursi i s t so … auf ihre Art ist sie se hr hil f los.« Henriette hob eine Augenbraue. »Dum m ? «
»Naiv.«
» W as in dieser Branc h e auf dasselbe hinau s läuft. Die Dum m en und Naiven überleb e n nicht lange. Die anderen saugen sie aus bis auf die Knochen und werfen sie fort. Glauben Sie’s oder nicht, aber Ur s i hat die Tat s ache, dass sie im m er noch in diesem Ges c häft arbeitet, allein diesem Kotzbrocken Arthur H er m ann zu verdanken. Er ist ein W i derling erster Güte, aber er p asst auf sie auf.«
»Oben bei Voll m oeller ist er jedenfalls nicht.«
»Nein – aus genau diesem Grund. Her m ann würde nicht zulassen, dass seine F reundin das tut, was sie ver m utlich gerade tut, und Voll m oeller w e iß das – deshalb ist Ursi eingeladen, ihr Freund aber nic h t. Und Ursi ist einfältig genug, die E i nladung anzuneh m en.«
»Verzweifelt genug.«
» W i e bitt e? «
»Ursi m ag ein wenig … si m pel sein, aber das ist es nicht, was sie h ergetrieben h a t. S i e ist verz w ei f elt. Die Sache m it Her m ann … Sie kennen ihn ja. W er weiß, wie lange das noch gut geht. Wenn er sie f allen l ä sst, ist es m i t ihrer Kar r i e re vor b ei. Deshalb i s t sie h i er. S i e m uss bei den richtigen Leuten im Gespräch bleiben, da m it es für sie auch
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