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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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die Luft und schlug auf die Mar m orfliesen. Chiara und Nette zogen gleichzeitig scharf die L u ft ein, aber es löste sich kein Schuss. He r m ann lachte wie ein Geisteskranker, tau m elte heru m , bückte sich nach d e m Revolver und stürzte dabei vornüber. Iwan sprang vor, um ihn aufzufangen, kam aber zu spät. Her m ann f i el hin und begrub die Waffe unter sich.

» W as für ein Arschloch«, entfuhr es Chiara, aber zugleich m usste sie lachen, so ar m selig sah der betrunkene und zugekokste Her m ann dort unten am Boden aus.
    Ursi kam zur Tür herein, sah C hiara lachen, ihren Liebhaber am Boden, und fiel in das Gelächter m it ein, musste sich sogar am Türpfosten festhalten, bis Masken hinter ihr auftauchte und sie beiseite schob. Er m usste ebenfalls grinsen, winkte dann ab und verschwand wieder im Wohnzimmer. Iwan warf noch einen Blick auf Chiara, dann folgte er ih m .
    Her m ann reali s ierte all m ählich, dass die b eiden Frauen ihn auslac h ten, aber s ein Zorn richtete sich nicht auf Chiara oder Ursi. Er zog den Revolver unter sich hervor und richtete ihn auf Nette.
    Ursis Gelächter wurde noch schriller. »Arthur, lass den  Unsinn.«
    Auch Chiara hatte Mühe, Her m ann ernst zu nehmen. Um sie herum drehte s i ch alles, i h r fiel ein, dass n o ch etwas von Julas alten Rauschgiftvorr ä ten in einem der Schränke versteckt sein m usste, und plötzlich erschien ihr das viel wichtiger als alles andere.
    Nette wich zur Tür zur ü ck, aber Her m ann befahl ihr m i t bebender Stimme, stehen zu ble i ben. Nette versteinerte. Er stem m t e sich unbeholfen hoch, brachte die Waffe aber gleich wie d er in Anschlag, als er einiger m aßen sicher auf den Füßen stand.
    »Bist ganz schön beeindruc k t, was ? « Her m ann fasste sich m it der Linken in den Nacken und m assierte seine verkra m pften Muskeln. »Hast du schon m a l wen so schießen sehen, du kleine Hure ? «
    Chiara riss eine Schranktür auf u nd suchte nach d e r Dose, die sie hier vor Monat e n ei n m al entdeckt hatte. Sie hörte, was Her m ann s a gte, konnte es aber nicht zuordnen.
    Halt die Klappe, dachte sie, wo sind die beschissenen Drogen? In einem Gefäß fand sie einen Schlüsselbund, starrte ihn einen Moment l a ng an und ließ ihn dann in ihrer Hose nt asche versc h winden.
    Ursis Lachen war in hysterisches Luftschnappen und Gurgeln übergegangen. D a nn übergab sie sich ins Spülbecken und hatte genug m it sich selbst zu tun.
    Her m ann s t and jetzt direkt vor Nette und hielt ihr den Lauf der Waffe unters Kinn. Ein Grinsen flackerte wie Flam m enschein über sein gerötetes Gesicht. » K omm m it, kleine Schla m pe, darf s t uns jetzt m al zeigen, was du gelernt hast.«
    »Chiara«, sagte Nette, zu eingeschüchtert, um laut zu rufen.
    Chiara wa n dte s i ch d em nächsten Schrank zu. S i e zögerte kurz, schwankte – je m and hatte i h r e n Na m en genannt –, schüttelte dann aber den Kopf und s etzte ihre Suche nach der Koksdose fort.
    Koksdose. Sie hätte schreien können vor Vergnügen. Andere Leute versteckten Keksdosen in ihrer Küche, und sie – nein, Jula – oder eben doch sie? Egal. Koksdose. Das war wirklich unglaublich ko m isch. Sie hoffte, dass sie sich morgen noch daran eri n nern würde. Aber wem sollte s i e davon erzählen? Nette vielleich t ? Die Kleine spielte sich auf, als wäre sie Chiaras gutes Gewissen, der Engel, der sich über die Schulter beugt und m it hochgezogener Braue f l üste r t: Bist du sicher, d ass du das tun will s t, mein Kind?
    Bei Gott, j a , sie war s i c her, dass s i e d i ese Dose finden wollte, und zwar auf der St e l le, weil die V orräte im Wohnz i mmer irgendwann zur Neige gehen würden und der Abend doch gerade erst wirklich lustig wurde.
    Her m ann, d i eses Arschloch, da unten am Boden … und dann Ursi, die sich die Seele aus dem Leib kotzte …
    Grundgütiger, lag Her m ann eigentlich im m er noch da unten rum wie ein Penner? Ein Penner, ja, das war er.
    Das Fenster stand noch immer weit offen. I m Lichtsc h ein erkannte sie etw a s Du n kles auf dem Rasen: eine t o te Katze.
    Ein paar Herzschläge lang konnte Chiara sich nicht bewegen. Dann drehte sie sich u m . Erinnerungen, Bilder, Stim m en überfluteten sie, Ei n drücke, die Minuten zurücklagen und sie erst jetzt erreichten.
    Ursi hing halb bewusstlos über der Spüle und ließ sich Wasser über den Kopf l aufen. Ihr Gesic h t zersch m olz zu dunklen Rinnsalen aus S ch m inke.
    Nette und Her m ann waren

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