Das zweite Gesicht
elte.
»Tut m i r Leid, dass ich nic h t m ehr Zeit habe. Von einem Ter m in zum nächsten, Sie wissen schon. Mal hier, m al dort.« Sie verzog das Gesicht. »Und dann im m er wieder in diesem schäbigen … Etablisse m ent. W eiß der Teufel, was die Leute daran finden. Vi e lleicht sehen wir uns m a l wieder?« U rsi setzte ein breites Lächeln au f , das ihr Erstaunen über Chiaras Ähnlichkeit zu Jula nur unzureichend überspielte. »Sie bleiben doch ein Weilchen in Berli n ? Ach was, nat ü rlich bleiben Sie – wer geht schon freiwillig z u rück in die Provinz. Besuchen Sie m i ch m al.« Und d a m it schüttelte sie Chi a ra erneut die Hand, strafte Henriette m it Nichtbeachtung und stolzierte zum Ausgang.
»H i m m el«, flüsterte Chiar a , als die blonde Frau im Freien verschwand. » W a s war das denn ? «
»Die göttliche Ursi«, sagte Henriette zynisch. »Sie hat in einigen von Julas Fil m en m it g espielt und m ittlerweile eine recht ordentliche eigene Karriere hingelegt. Kennen Sie sie? Nicht persönlich meine ich, sondern aus Fil m en.«
Chiara schüttelte den Kopf.
»Neh m en Sie ihre Ei nl adung an. Sie weiß ver m utlich weit m ehr über Jula als ich nach a ll m einen Inte r views. Ich wollte a u ch eines m i t ihr m achen, aber s i e hat sich geweigert. Trotzde m , Sie als Julas Schwester …«
»Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich m it ihr spreche und Ihnen dann brühwarm Bericht erstatte, oder ? «
Henriette hob nur die Schultern und lächelte.
»Lassen Sie uns noch m al über Masken reden«, bat Chiara.
»Der Gute hat Sie ja zie m lich neugierig ge m acht.«
Hatte er das? Im Grunde ging es immer noch u m Jula, aber es fiel ihr n i cht leicht, sich ihre Neugier einzuge s t e h en. Sie hatte Jula nicht ge m ocht, sie m ochte diese Stadt nicht; und doch zogen beide sie unwiderstehlich in ihren Bann. »Mit Masken hat für Jula
alles begonnen«, sagte sie. » E r hat sie entdeckt und groß rausgebracht. W enn ich m ehr über m eine Schwester wissen will, muss ich m it ihm reden, ode r ? «
»Dafür, dass Sie so w enig für I h re Schwe s t e r übrig hatten, int er essi e ren Sie sich jetzt sehr für sie.«
Das Selts a m e war, dass es beina h e gegen ih r en W illen geschah, als schöbe et w as, d a s sich ihrem Einfluss entzog, sie von einem Spielfeld zum nächsten und stachelte ihre Neugier a n . Sie wusste nicht recht, was sie darauf erwidern sollte, deshalb mu r m elte sie nur: »Mag sein.«
»Masken, also gut …« Henriet t e rief den Kellner herbei und bestellte sich einen Tee m it Rum. »Diese ungeheizten Räu m e sind eine Zu m u tung. Aber ich dachte, das Café int e res s ie r t Sie vi e ll e ic h t . J u la war auch m anch m al hier.«
»Erzählen S i e m i r von Medusa.«
»Maskens Waterloo. Was wissen Sie darüber?«
»Nur, dass es bei den Dreharbeiten ein Feuer gegeben hat. Und dass einige Menschen u m gekommen sind.«
»U m gekom m en … das klingt zie m lich ha r m los, nicht wahr? S t ellen Sie sich eine gigantische Kulisse vor, eine gewalti g e H alle aus Holz und Pap p m ache, m it m ächtigen Säulen und kilo m eterlangen S t offbahnen. Stellen Sie sich vor, ein paar hundert Komparsen tummeln sich darin. Und dann m alen Sie sich aus, was passiert, wenn all das Sperrholz, die Pappe und die Stoffe Feuer fangen, die Flam m en i n W i ndeseile um sich greifen, von einer Dekoration zur nächsten überspringen. W i e lodernde Stoffplanen von der Decke fallen und zig Leute auf ein m al unter sich begraben, und wie diese ar m en Geschöpfe versuchen, sich zu befre i en und sich dabei im m er hoffnungsloser darin verwickeln. U nd wie schließlich die ganze Halle in F l am m e n steht und es dann im m er noch endlose zehn Minuten dauert, ehe die ersten Feuerwehrleute eintreffen.« Der Kellner kam m it dem T e e und nahm e i ne leere Tasse m it.
»Und, zu guter Letzt, stellen Sie sich einen Produzenten und Regisseur vor, der die Schuld an all dem abstreitet, vor Geric h t eine wilde Verschwör u ngstheorie v orträ g t und etwas von Brandstiftung faselt und tatsächlich da m it durchkom m t . Keine Schadenersatzza h lungen, keine Sch m erzen s gelder oder Spenden, nicht ei n m al eine Entschuldigung. Das, mein Kind, war Medusa.«
Chiaras Mund war trocken geworden, und sie trank einen Schluck ihres kalt gewordenen Kaffees. »Masken wurde dafür nicht belangt ? «
»Nein. Die Opfer waren K o m parsen. Ich weiß nicht, w i e gut Sie sich in diesen
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