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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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weiß. Ein Bordell von babylonischen Aus m aßen, ein modernes Sodom und Go m orrha, in dem den lieben lan ge n Tag lang gewalti g e Orgien stattfinden – bei ei n er d i e s er Szenen brach das Feuer aus, deshalb all die Ko m parsen.«
    »D a m it wollte er bei der Zensur durchkom m en ? «
    »Lubitsch h at’s g escha f f t, warum also nic h t M aske n ? Zu m i ndest m uss er sich das gedacht haben. Und ver m utlich klang es in der Beschreibung viel d rastischer, als es im tatsächlichen F ilm zu sehen gewesen wäre. Aber warten Sie, es kom m t noch wil d er. Jula s p ielte die Hauptrolle, ein ar m es, unschuldiges Zimme r m ädchen … bla, bla, bla, Sie kennen die Geschichte, es ist im m er die gleiche. Julas Aufgabe ist es also, diesen Sündenpfuhl sauber zu halten, sich von all e n schikanieren zu lassen und die Zudringlichkeiten der F r eier abzuwehren, denn natü r lich ist sie r einen Herzens und wartet auf die große Liebe.« Henriette verdrehte die Augen. »H i m m el, es klingt noch viel schlim m er, wenn m an es selbst erzählen m uss. Ich weiß ja auch nur das darüber, was da m als durchsickerte, und natürlich die paar Einzelheiten, die ich Jula entlocken konnte. Nun j a , dieses Zim m e r m ädchen ist also so ei n e Art Asche n putt e l im Puff, wenn m a n’s genau nim m t. Eines Tages besucht eine Gruppe hochrangiger Politiker das Bordell, und sie sind nicht zufrieden m it den D a m en, die ihnen zugeführt werde n . Einer ent d eckt Jula, die wahrscheinlich gerade irgendeine nackte Nymphe aus Messing poliert oder weiß der Teufel was tut. E r schnappt sie sich und ge m eins a m fallen sie über das ar m e Ding her. Sie be m erken die un g e m ein subtile Botsc h aft, j a ? Die Politiker sind natürlich der Gott Poseidon, d a s Bordell ist der Te m pel Athenes, und unsere Jula ist … na, Sie wissen schon. Durch das, was m an ihr antut, kom m t si e fast zu Tode, sie ist schwer verletzt und am Boden zerstört. In der f olgenden Nacht will s i e sich das Le b en neh m en. Doch der Versuch m i sslingt, die V erlet z ungen entstellen ihr Gesicht. Ein Teufel taucht auf, der i h r die Möglichkeit verspricht, sich an i h ren Peinigern zu rächen, und voller Hass schließt sie den Pakt und wird zur Medusa. Fortan zieht sie ver m ummt durch Berlin und tötet einen der schuldigen  Politiker nach dem anderen – und das allein durch ihren Anblick, der sie alle in S t ein verwandelt. Dadurch wird sie zum Idol d e r Massen, die Menschen erheben sie zu einer Art Göttin u nd m achen aus dem Bordell i h ren T e m pel. Zu guter Letzt kom m t dann die übli ch e reine Liebe ins Spi e l. Sie wird wieder sie selbst, a b er l e tzten End e s stir b t sie in den Ar m en ihres Geliebten.« Henriette zog eilig an ihrem Zigarillo, d em dritten oder vi e rten in Folge. »G roßarti g , nicht wahr? Das ist Kintopp à la Masken.«
    » W ahrscheinlich wäre es ein großer Erfolg geworden.«
    »G a n z best i mmt . M a sk e n ha t s c ho n vo r Drehb e gin n die Werb e m as c hineri e anlaufe n l a ssen . Vora b du r ft e ma n l e sen, das s die s de r größt e Skanda l de r Fi l m geschi c ht e we r den würd e un d das s de n Herr n Politiker n nich t ge f alle n würde, wa s si e z u sehe n bek ä men . Di e ganz e Press e , ic h selbst eingesch l os s en , wa r g a n z hei ß au f di e Geschi c hte . Felix Maske n erk l är t de n Volksvertreter n de n Krie g – un d da s in diese m poli t ische n Kl i ma ! Fü r e i n weni g Wirbe l un d ein paa r hübsch e Schl a gzei l e n wär e d a s all e m a l gu t gewes e n.«
    Chiara waren all diese Dinge sehr fr e m d. Sie wusste so gut wie nichts über die Verbindungen von Filmgeschäft und Presse, ganz zu schweig e n von Politik. Sicher, ab und an stand etwas in den Ze itungen, und m anch m al hatte sich ihr Vater lautstark über die eine oder andere Partei ereifert. Im Grunde aber interessierte sie sich keinen Deut dafür.
    »Un d wa s sol l ic h Ihne n sage n ? « H e n r iet t e st a m pf t e d e n  Zigarill o i n de n A s chenbecher , al s w ä r e e r M a sk e n s G e si c h t .
    »Dieser ganze Blödsinn hat Masken schlusse n dlich die Haut gerettet. Er hat frech behauptet, der Brand sei im Auftrag übereifriger P olitiker gelegt worden, die sich selbst im Film wiedererkannt hätten. Ein Anschlag, prokla m ierte er vor Gericht, e i n Attentat auf sein Leben! Sie hätten ihn hören müssen. Das muss m an sich auf der
    Zunge zergehen lassen: sein Leben! Über die

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