Das zweite Gesicht
h te, ein seltsa m er Laut in der gespannten A t m osphäre. »Gleich sind w i r a u f dem Niveau eines Kindergeburtstags.«
Her m ann p a ckte sie am Handgelenk. » W enn du das alles so kindisch f i ndest, warum gehst du dann nicht einfach ? «
Lea ri s s ih r e Hand los. »U nd lasse C hiara h i er be i euc h ? Das hättest du gerne, nicht wahr ? «
» W er bist du? Ihre Mutter ? «
Einen Moment lang sah es aus, als würde Lea ihm ei n e Ohrfeige verpassen. Dann aber schnaubte sie nur abfällig und blieb sitzen. Her m a nn ignorierte Ursis vorwurfsvollen Blick.
Chiara schaute verwirrt von einem zum anderen. » W as soll das? Lea, was hast du da m it g e meint ? «
Lea schüttelte den Kopf. » W ir sollten jetzt gehen, denkst du nicht auch ? «
»Chiara kann das allein entscheiden«, sagte Masken.
Sie spürte, wie W ut in ihr aufstieg. »Könnte m i r m al je m and erklären, wovon ihr eigentlich redet?«
Statt einer Antwort von ein e m der anderen bewegte sich die Planc h ette.
Unter Chiaras Händen drehte sie sich ein m al im Kreis, verharrte dann auf d e m leeren Feld zwischen Ja und Nein.
»Sie will uns etwas s a gen«, f l üsterte der junge Schauspieler.
Chiara blickte von der Pla n chette zu dem Mann, dann wieder z u r ü ck auf den Holzzeiger. Das ist ni cht m eine Schuld, wollte sie sagen. Ich kann nichts dafür.
Aber dann schwieg sie und wartete.
Die Planchette erwachte wieder zum Leben. Schob sich zum G. Her m ann s c hrieb m it.
Der Zeiger rutschte zum E. Lea zog zischend die Luft ein.
Die Planchette g l itt zum H, dann verharrte sie erneut auf dem leeren Feld.
»Geh ? «, fragte Ursi.
Lea stand auf. » W underbar. Eine Aufforderung.«
»Unsinn«, sagte Masken, aber es klang nicht besonders überzeugt.
Chiara na h m all ihren W illen zu s ammen und zog die Hände zurück; sie hatte das Gefühl, dass ihre Finger aus einer unsichtbaren U m kl a mmerung glitten, als hätte je m and sie festgehalten.
Einbildung, sagte sie sic h . Du bist immer noch betrunken.
»Komm, Chiara«, sagte Lea entschieden. » W ir gehen.«
»Ooh«, m a chte Ursi m it Kinderstim m e und zog eine Schnute. Sie sah nicht aus, als bekä m e sie noch viel von ihrer U m g e bung m it. Ihr Blick war vernebelt, ihre Mi m i k unkontrolliert.
» W artet«, sagte Masken.
Leas Miene war eisig. »Nein.«
Chiara stand auf, ein wenig schwankend, aber entsc h losse n .
»Ich kom m e m it.«
Hermanns Blick war immer noch auf die Planchette geric h tet, als hoffte er, dass sie sich auch o h ne Chiara bewegte. Langsam hob er den Kopf, sah erst Lea, dann Chiara an. »Warum hast du aufgehört ? «
»Ich habe nichts getan«, gab sie energisch zurück.
Das Mädchen neben Masken schaute bleich durchs Zimmer.
»Glaubt ihr, sie ist noch hier ? «
Alle verharrten reglos, sog a r Lea blieb stehen. P l ötzlich herrsc h te eine Stille, als l a u s chten alle auf ein Zeiche n . Auf eine Stimme, vielleicht.
Der Flügel schlug an.
Eine einzelne Taste. Ein tiefer Ton. Alle zuc k ten zusam m en.
W eitere Ta s t en sen k ten sich. Der Anfang einer Melodie, sehr holprig. Unsicher.
»Das ist lächerlich«, sagte Lea, aber sie sah nicht aus, als m einte sie es so.
Der Flügel spielte jetzt schneller, gezielter. Unsichtbare Geisterhände bedienten die Tasten, spielten eine Partitur. Chiara erinnerte sich. Nicht an den Titel, nicht einmal an den Komponisten. Aber an die Melodie. Sie hatte sie selbst einmal gespielt, vor langer Zeit beim Klavierunterricht ihres Vaters. Und sie wusste, dass Jula sie als Kind gemocht hatte.
Die blonde Frau, deren Fr e undin geflohen war, rappelte sich hoch. »Das reicht«, keuchte sie m it erstic k t e r Stim m e und rannte aus d e m Zimmer. Sie hörten, wie sie die Wohnungstür aufriss, aber das Geräusch des Schlosses, das wieder einrastete, bli e b aus. Die Tür stand offen.
Vielleicht wehte deshalb ein ei si ger Luftzug durchs Zimmer.
Die Melodie brach ab. Zwei, drei Sekunden vergingen. Dann senkten sich alle Tasten d es Flügels auf einen Schlag, so laut, dass sie alle a b er m als zusam m enfuhren.
»Das reic h t « , sagte Lea, pac k te ihre Tasche, eilte um den Tisch herum zu Chiara und packte sie an der Hand.
»Komm m it.«
Chiara folgte Lea z u r Z i m m ertür. Masken sc h aute üb e r die Schulter zu ihr zurück, sagte aber kein Wort. Das Mädchen neben ihm begann leise zu weinen.
»Beeil dich!« Lea war schon im Flur, Chiara lief hinter ihr her. Durch die offene W
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