Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
als wüsste sie, was in Chiaras Kopf vorging.
    »Ich hab das alles schon hinter m i r. Vor fünfzehn Jahren  war ich m ittendrin. Ich hab’s gese h en, m it eig e nen Augen. D a m als hießen die Kerle nicht Her m ann od e r Masken, aber das spielt k eine R o lle. Die Re g eln ändern s i ch nicht, nur die Mitspieler, sie werden im m er jünger.«
    Chiara wollte sich zu s ammenreiß e n, wollte e i n paar klare Geda n ken fassen. Statt d essen dachte s i e wieder an die Pla n chette. Und an die Melodie auf dem F l ügel. Sie war nicht m ehr sicher, was sie m ehr verwirrte.
    Noch etwas fiel ihr ein.
    »Du hast gesagt, dass sie Mädchen aus dem  Scheunenviertel holen.«
    Lea nickte. »Natürlich. Da sind sie am billig s t e n. Aber die Hälfte von denen ist verseucht, und die andere Hälfte ist alt und hässlich. Und krank. Aber m anch m al sollen sie das sogar sein, weißt du. Für m anch einen m acht das die Sache«, sie verzog das Gesicht, »spannender.«
    » W eißt du, ob m al ein Mädchen n a m ens Nette dabei war ? «
    »Nett e ?« L e a überlegte. » W ie alt ist si e ? «
    »Keine zwanzig, schätze ich.«
    »Dann war sie s i cher ni cht da b ei, als ich dabei war. Zu der Zeit war sie kaum geboren.«
    »Und heute?«
    Lea sah sie ernst an. » Ich m ach da nicht m ehr mit, schon seit über zehn Jahren nicht m ehr. Woher soll ich wissen, wie all die Mädchen heißen, die die Kerle ver s chlei ß en.« Sie wich einem Obdachlosen au s , der sich auf dem Bürgersteig zusam m engerollt h atte, zugedec k t m it einer zerknitterten Abendzeitung. » W a r um fragst du nach ihr ? «
    »Nach Nette ? « Chiara überleg t e, ob sie Lea die Wahrheit sagen sollte, winkte dann aber ab. » W ar nur so ein Gedanke. Ist schon gut.«
    »Du scheinst ein paar selts am e Bekanntschaften ge m acht zu haben, seit du in Berlin bist.«
    Chiara klop f te sich zerfa h ren den Mantel ab, als könnte sie da m it die Erinnerung an die letzte Stunde loswerden.
    »Kennst du je m anden, den sie Khan nennen … oder früher so genannt haben ? «
    Lea blieb a b er m als stehen. Im Licht einer Later n e wirkte sie m erkwürdig blutleer. »Khan ? «
    »Ja.«
    Lea at m ete tief durch, als rechnete sie jeden Mo m ent m it einem Asth m aanfall. »Schätzchen, der Khan ist so was wie eine Legende. Keiner we i ß, wer er war. Keiner weiß, ob er überhaupt noch lebt. Nie m and redet m ehr von ih m , weil sogar d i eje n igen, die so viel Dreck am Stecken haben wie Her m a nn oder Masken … weil sogar diese Leute Respekt haben vor de m , was der K han getan hat. Nicht Respekt – Angst.«
    » W a s hat er getan ? «
    »Ich weiß es nicht. Es gab Gerüchte über alles Mögliche, aber m eistens waren das nur die sch m utzigen Fantasien von ein paar Leuten ohne Fantasie. Alle wussten nur, dass der Khan – wenn es i hn denn w i rklich gegeben hat – Dinge getan hat, über die m an nicht spricht. An die m an nicht ein m al denkt.«
    »Klingt ein wenig nach Doktor Mabuse, wenn du m i ch fragst.«
    Lea schnaubte verdrossen. »Mach dich lustig darüber, wenn du willst. Aber d a m als … wir haben n i c ht o f t über ihn geredet, und wenn d i eser Na m e fiel, wurden die Leute still oder drehten sich um und gingen. Es war, als würde m an sich schon durch das Gespräch über ihn irgendwie … sch m utzig m achen.«
    »Es war jemand aus der Fil m branche, nicht wahr ? «
    »Das hat m a n sich erzählt.« Lea gab sich einen Ruck und ging weiter. »Aber lass uns davon aufhören, j a ? Mir i s t schlecht von diesem Schwein Her m a nn, ich brauche nicht auch noch irgendwelche Schreckgespenst e r aus der Vergangenheit, um eine schlaflose N acht zu verbringen.«
    Chiara bi s s sich auf die U n terlippe. Sie war noch nicht zufrieden.
    »Her m ann ist im Grunde eine W itzfigur«, sagte Lea,  »nicht ungefährlich, aber letztlich ein Nichts. Der Khan ist eine andere Kategorie. Sprich nicht m ehr über ihn. Denk nicht m al an ihn. Man macht sich nicht beliebt, w enn m an das Gespräch auf ihn bringt.«
    Schweigend gingen sie ein S t ück weiter, ehe Lea ein Taxi anhielt. Ihre W ohnung lag näher, deshalb ließen sie den W agen zuerst dorthin fahren.
    Lea gab Chiara einen Kuss auf jede W ange, bevor sie ausstieg. »Mach dir nicht zu viele Gedanken über diese Sache. Man findet sich d a m it ab. Und m an kann d a m it u m gehen, wenn m an d e n Mumm dazu hat. Und den hast du bestim m t .«
    Chiara nickte tapfer und hob zum Abschied grüßend die  Hand.
    » W ohin

Weitere Kostenlose Bücher